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Shi Degen  释德根 
und seine Schüler


Degen war im Dorf Guangdimiao zuhause. Im Familienhaushalt lebten noch seine alte Mutter, eine Schwägerin und ein paar Brüder. Eines Tages, als er seine Familie besuchte, hatte die alte Mutter ein Rind in die Reismühle eingespannt. Sie ärgerte sich darüber, daß das Tier so langsam lief und forderte Degen auf, es anzutreiben. Degen fegte mit einem Weidenzweig über seinen Rücken, pfiff und  feuerte es mit lauter Stimme an, das Rindvieh lief immer noch langsam. Die Mutter sagte: „Kannst du es nicht mit der Hand ein wenig schlagen?“. Degen klatschte dem Tier mit der flachen Hand auf das Gesäß. Es fiel hin. Es blieb liegen. Es wollte partout nicht mehr aufstehen. Seine Hüfte war gebrochen...


Als Degen etwas über 20 Jahre alt war, fuhr er mit einigen Meisterbrüdern nach Xi’an, um dort die Mönchsweihe zu erbitten. In einer Straße der Stadt wurde gerade ein Kampfpodest errichtet. Einige Zeit später kam ein alter Mönch zu Degen und sagte: „Komm’, komm’ und sieh dir das an!“ Degen ging zu dem Kampfpodest und stellte sich davor. Zu seiner Linken sah er eine Holztafel mit der Aufschrift: „Die Faust schlägt beide Ufer des Gelben Flusses“ und rechts eine zweite, auf der geschrieben stand: „Der Fuß tritt die Shaolin-Helden“. Degen schnellte auf das Podest und begann auf den dort stehenden Mann einzureden: „Wir in die Hauslosigkeit Gegangenen (Mönche) möchten nicht in solche weltlichen Angelegenheiten verwickelt werden. Wir hoffen, ihr wollt uns keine Sorgen machen.“ Er bat darum, den Satz „Die Füße treten die Shaolin-Helden“ auszuwechseln. Der Mann erwiderte eingebildet und wütend: „Wer ein Kampfpodest errichtet, fürchtet nicht, sich zu schlagen. Hat man das Können, so sollte man es im Kampfring zeigen, und die Sprüche werden von selbst ausgewechselt“. Degen wiederholte mehrmals seine Bitte, doch der Mann hörte nicht auf ihn, verspottete ihn und forderte ihn dreimal direkt zum Kampf auf. Dreimal lehnte Degen ab, bei der vierten Aufforderung willigte er ein, unter der Bedingung daß beide Kontrahenten niederschrieben, daß sie freiwillig Verletzung und Tod in Kauf nehmen würden  und der Andere dafür nicht belangt werden solle. So kam es zum Kampf, zu dessen Beginn Degen sich darauf beschränkte, den Attacken seines Gegeners auszuweichen. Als dieser ihn in einem Moment der Unaufmerksamkeit mit einen Fußfeger  überraschte, antwortete Degen mit einem Yinyang-Ellbogen-Hammer (aus Xiaohong Quan). Dem folgte ein „Yang“-Faustschlag mit der Rechten in die Magengrube des Arroganten. Nachdem Degen noch einen zweiten Faustschlag mitten in die Herzgegend plazierte, fiel sein Gegner nach hinten über, spuckte auf dem Boden liegend noch etwas Blut und verstarb. Augenblicklich brauste der Beifall von der Menge, die unten vor dem Kampfpodest stand , los und alle priesen die Kühnheit der Shaolin-Kampfkunst und die Stärke von Degen. Das Kampfpodest wurde später dem Feuer übergeben.




Dies sind zwei Geschichten über den Großmeister Degen wie sie, ausgehend von zweien seiner direkten Schüler (Zhu Tianxi und Shi Yongwen, s.u.), in mehreren, leicht verschiedenen Versionen im chinesischen Internet kursieren.  Sie zeigen auf, dass die enorme Effizienz und Durchschlagskraft von Degens Shaolin-Kungfu – wie in der ersten Geschichte – ihm anfangs wohl selbst nicht völlig bewußt war und - wie in der zweiten Geschichte - für seine Kontrahenten den schnellen Tod bedeuten konnte.


Das exzellente Shaolin-Kungfu des Meisters und sein ungestümer Wille, für den Ruhm und die Ehre des Shaolin-Kungfu einzutreten, fand in vielen Anekdoten und Erzählungen ihren Niederschlag. Degen ist nicht nur einer der berühmtesten Kungfu-Meister des Shaolin-Tempels im letzten Jahrhundert, er zählt zu den wenigen Meistern, die in jener Zeit eine entscheidende Rolle für das Überleben des traditionellen Shaolin-Kungfu innehatten. Bis heute ist sein Wirken von großer Bedeutung und sein Name ist in Fachgesprächen über das gegenwärtige traditionelle Shaolin-Kungfu stets präsent.

*1


Shi Degens weltlicher Name ist Han (韩). Er stammt aus dem Dorf Guangdimiao (关帝庙村) im Kreis Gongyi (巩义)  der chinesischen Provinz Henan (河南省). 1914 geboren, wurde er im Alter von 6 Jahren in das  Chaomi-Kloster (炒米寺) gebracht. Dieses lag im selben Kreis wie sein Heimatdorf und war ein Nebentempel des Shaolin-Klosters. Dort nahm ihn Meister Suduan (素端) als Schüler an und gab ihm - entsprechend der Generationenfolge des Shaolin-Tempels - den buddhistischen Namen Degen. Es war wohl richtungsweisend, dass er schon in früher Kindheit an diesen Meister geriet, der für sein hervorragendes Kungfu bekannt und zugleich ein sehr strenger Lehrer war. Mit  16 Jahren kam Degen zum Shaolin-Tempel, wo er als  Schüler von Shi Zhenxu (贞绪) weiter Buddhismus und Kungfu lernte. Die Mönchsordination erhielt er in der Stadt Xi’an nach Vollendung seines zwanzigsten Lebensjahres (1934).


Auf Einladung von Shi Zhenxu kam in den 30er Jahren Wu Shanlin (吴山林, auch: Wu Sanlin 吴三林), der Sohn des herausragenden Kungfu-Meisters und ehemaligen Shaolin-Mönchs Wu Gulun (吴古倫), in den Shaolin-Tempel, um dort Kungfu zu  unterrichten. Shi Degen wurde zu einem seiner eifrigsten Schüler. Nach drei Jahren verließ Wu Sanlin den Tempel,– angeblich war er enttäuscht über die geringe Anzahl der Mönche und deren charakterlichen Eigenschaften. Shi Degen soll jedoch weiterhin engen Kontakt zu ihm gepflegt haben, und nachdem er später erkrankte, soll sich Wu Shanlin wiederholt nach seinem Gesundheitszustand erkundigt haben.


Als 1941 im Tempel die „Shaolin-Mittelschule“ (少林中学) gegründet wurde, übernahm Shi Degen den Kungfu-Unterricht. Fünf Jahre später wurde er leitender Trainer der  Kampfmönche des Shaolin-Tempels (少林寺武僧教头shaolinsi wuseng jiaotou). Ein Teil dieser 30 Kampfmönche ging 1948 zum Militär.  Die äußeren Bedingungen in jener Zeit waren weiterhin schwierig: in der ersten Hälfte des Jahrzehnts litt der Shaolin-Tempel -wie ganz China - unter der japanischen Besatzung, in der zweiten Hälfte flammte erneut der Krieg zwischen den Guomindang und den Kommunisten auf, der sich 1949 zugunsten der Kommunisten entschied.


Nach der Gründung der Volksrepublik China im Oktober 1949 verlor der Shaolin-Tempel durch die bald darauf folgende Landreform einen Großteil seines Landbesitzes und damit einen wesentlichen Teil seiner materiellen Existenzgrundlage. Wie viele andere Mönche kehrte auch Degen in den Laienstand zurück und lebte ab 1950 wieder in Guandimiao. In den folgenden Jahren war er in verschiedenen Arbeitseinheiten der Gegend tätig; unter anderem unterrichtete er das Ensemble für Gesang und Tanz der Provinz Henan  (河南省歌舞団 ).
1958 wurde er als Trainer in der vom Kreis Dengfeng errichteten Wushu-Schule (登封县 武术学校) engagiert. In dieser Zeit legte die Regierung noch Wert auf die Förderung der chinesischen Kampfkünste, und Degen wurde durch die Bezirke Dengfeng, Gongyi und Huashi geschickt, um dort an den Grundschulen Sportlehrer und Schüler in Kungfu zu unterrichten.  Von der Dengfenger Behörde für Bildung und Sport(登封教育局) erhielt er 1962 eine Festanstellung als Lehrkraft für Kungfu.
Gern nahm er in jenen Jahren seine Schülerin Chen Qiuju (陳秋菊) mit zum Unterricht und ließ sie einzelne Kongfu-Bewegungen demonstrieren. Chen Qiuju war eine begabte, gut aussehende Schülerin aus Dengfeng Dajindian, die im Alter von 12 Jahren begonnen hatte, von Degen Kungfu zu lernen. Im Verlauf von 10 Jahren  lernte sie von ihm eine Vielzahl an Faustformen, unter anderem  Xiaohong Quan, Dahong Quan, Meihua Quan, Luohan Quan, Xinyiba, Tongbi Quan, Zui Quan u.a.  Zudem lehrte Degen sie Meihua-Speer, Meihua-Schwert, Zwölfgliedrige Peitsche, Tigerkopf-Haken und einige der heutzutage nur noch selten gezeigten alten Waffenformen. Nachdem sie 1970 ihr Universitäts-Studium abgeschlossen hatte, zog Chen Qiuju in die Mongolei, wo sie leider die Ausübung von Kungfu aufgab.


Zusätzlich zu seiner Lehrtätigkeit nahm Degen in dieser Zeit nicht selten als Vertreter des Shaolin-Kungfu an Wettkämpfen auf Provinz- und Landesebene teil. Als Gewinner mehrerer Goldmedaillen brachte er so dem Shaolin-Kungfu viel weltlichen Ruhm und Ehre und damit gesellschaftliche Anerkennung ein. Von den dadurch eingenommen Preisgeldern kaufte er auch einige Zugtiere zum Pflügen für die im Tempel verbliebenen Shaolin-Mönche,- in jenen Zeiten der Not eine wertvolle Hilfe.


Auch über andere Bereiche der Kultur erstreckten sich die Bestrebungen des Meisters, das Shaolin-Kungfu am Leben zu erhalten und zu verbreiten.
Das Amt für Kultur und Bildung der Stadt Dengfeng (登封市文教局) gab 1962/63 eine schriftliche Übersicht zum Thema Shaolin-Kongfu in Auftrag. Wang Xinmiao (王欣淼) zeichnete die mündlichen Darlegungen Shi Degens auf, und so entstand das Werk „少林功夫概要“ (Shaolin gongfu gaiyao), das, leider nur intern veröffentlicht, zu seiner Zeit die umfassendste Information über Shaolin-Kungfu bot.
Am 7.8.1963 feiert der Film „Burning of the Shaolin Temple“ von Lee Fa in Hongkong seine Premiere. In diesem Film führt Shi Degen Bewegungen des Shaolin-Faustkampfes im Songshan Shaolin-Tempel vor. Das Geld, das er für die Arbeit in dem Film erhielt, soll er  den Mönchen des Shaolin-Tempels gegeben haben.


In der zweiten Hälfte der 60er Jahre wurde der Bevölkerung Chinas, als sie gerade dabei war, sich ein wenig von den großen Hungersnöten am Anfang des Jahrzehnts zu erholen, das Joch der Kulturrevolution auferlegt. Für Degen hatte dies eine besondere Bedeutung: Kungfu wurde von den Roten Garden als reaktionär angesehen und konnte nur noch im Geheimen ausgeübt und unterrichtet werden. Der Meister zeigte Beständigkeit, praktizierte sein Kungfu im Verborgenen und gab seinen engsten Schülern weiterhin Unterricht.


Degen liebte den Tabak. Selbst in den harten Zeiten der 60er Jahre, führte er stets eine kleine Tabakspfeife mit sich. Wenn einer seiner Schüler ihm Zigaretten schenkte, mahnte er ihn, nicht so viel Geld zu verschwenden: für ihn sei es gut genug, Tabakblätter in seiner Pfeife zu rauchen.
1968 war er schon schwer an einem Lungenleiden erkrankt. Im Alter von 56 Jahren erlag er 1970 seiner Krankheit und wurde in seinem Heimatort Guandimiao bestattet.




Shi Degen beherrschte mehr als 100 Formen der Shaolin Kampfkunst, sowohl  Faustkampf- wie auch Waffenformen, und eine Unmenge an Prinzipien und Techniken. Zu den wichtigsten Elementen in seinem umfangreichen  Shaolin-Kungfu zählen Luohan Quan (罗汉拳) und  Rou Quan (柔拳). Von besonderer Bedeutung ist auch, daß Degen einer der wenigen Erben des ehemals streng geheimen Xinyiba (心意把) war, jener Kampfkunst, die früher stets nur innerhalb des Shaolin-Tempels an Mönche weitergegeben wurde, die ihrer würdig waren. Längst ist das Xinyiba über die Tempelmauern hinweg zu den weltlichen Kungfu-Meistern gelangt, doch soll es nach Angaben von Mönchen des Tempels noch einen Teil geben, der weiterhin nur innerhalb der Mönchsgemeinschaft gelehrt wird.

Für den Shaolin-Tempel spielte Shi Degen eine Schlüsselrolle, da er die Shaolin-Kampfkunst, durch die der Tempel so berühmt geworden war, noch unter schwierigsten Bedingungen bewahrte, pflegte und an die zukünftigen Generationen weitergab,- ein für den den Fortbestand des Shaolin-Kungfu nicht hoch genug einzuschätzender Verdienst.
Unter den außerordentlich zahlreichen Schülern, die er im Laufe seines Lebens unterrichtete, finden sich viele weltliche Schüler,- einerseits ein Attribut an die damalige politische und soziale Situation,- andererseits war ein gewisser Austausch mit der Kampfkunstwelt außerhalb der Tempelmauern in der gesamten Geschichte des Shaolin-Tempels gegeben. Viele der Meister, die in der heutigen Zeit zu Recht als Erben und somit vertrauenswürdige Repräsentanten des traditionellen Shaolin-Kungfu gelten, stehen in Degens Traditionslinie: entweder haben sie direkt von ihm gelernt (die jetzt „Alten“ bzw. „Senioren“) oder von seinen herausragendsten Schülern (die Jüngeren). Zu den bekanntesten Schülern von Shi Degen zählen:
  • Yang Guiwu 揚桂吾    Er wurde 1931 in Sanjiadian im Kreis Yanshi der Provinz Henan geboren. Seine Eltern hatten eine Apotheke nicht sehr weit vom Shaolin-Tempel entfernt und gehörten damit zu den wohlhabenderen Menschen der Gegend. Degen kam öfters in ihrem Geschäft vorbei und da der junge Yang etwas schwächlich war, forderte sein Vater ihn auf, von Degen Kongfu zu lernen.  So wurde er im Alter von 14 Jahren  sein Schüler und erhielt den buddhistischen Namen Xingyi (行意). Nach seiner Aussage ist er der früheste Schüler von Degen. Er lernte auch von Wu Shanlin Kungfu, zudem von Shi Dechan die Shaolin-Medizin. Daneben befasste er sich intensiv mit Chan-Buddhismus. Er blieb bei Degen bis 1970, danach war er bis zu seiner Pensionierung 1983 in einer Arbeitseinheit tätig. In einer Filmdokumentation über den Shaolin-Tempel von 1982 ist ein Ausschnitt seiner Kampfkunst für die Nachwelt festgehalten: sie zeigt ihn in der ehrwürdigen Tausend-Buddha-Halle des Shaolin-Tempels beim Unterrichten von Xinyiba und ist wohl die erste filmische Aufzeichnung von Shaolin Xinyiba überhaupt. Einer seiner prominentesten Schüler ist Shi Dejian (徳建), der heute einen kleinen Tempel in Sanhuangzhai unweit des Shaolin-Tempels leitet. Ein anderer seiner Schüler, Hu Zhengsheng (胡正生), führt heute eine Kungfu-Schule (International Shaolin Temple Traditional Wushu Institute) in dem Dorf Shilipu, ebenfalls nur wenige Kilometer vom Shaolin-Tempel entfernt. Yang Guiwu verstarb 2010.
    • Yang Jucai  杨聚才   1932 in Dengfeng geboren, lernte er schon als Kind die Armut kennen. Mit zehn Jahren verließ er sein Elternhaus, wurde im Shaolin-Tempel von Meister Xingzhi (行智) als Schüler angenommen und erhielt den buddhistischen Namen Yongding (永定). Von Shi Degen lernte er Pao Quan, Luohan Quan, Säbel-Formen u.v.m. 1948 verließ er den Tempel und schloß sich der kommunistischen Befreiungsarmee an. Nach der Demobilisierung arbeitete er als Sporttrainer für die Stadt Dengfeng. In seinen späten Jahren wurde Shi Guo Song (释果松) einer seiner Schüler,- aufgrund des gesundheitlichen Zustands Yangs jedoch nur für kurze Zeit. Im Alter von nur 57 Jahren verstarb Yang Jucai 1989.
      • Diao Junqing  刁俊卿    Er lebte von 1916 bis 1989. Im Alter von 4 Jahren kam er in den Shaolin-Tempel. Als (Urenkel)-Schüler des hoch angesehen Shaolin-Mönchs Shi Zhenjun erhielt er den buddhistischen Namen Xingshu (行書). Auch Wu Gulun und Shi Zhenxu zählen zu seinen Lehrern. Von Vielen wird er als Meister der „Bodhidharma-Schwert“-Form angesehen. Nach der Gründung der Volksrepublik China ging er in den Laienstand zurück. Er ist der Vater von Diao Shanduo (刁山多),- ehemals Shi Yongzhi (释永智),- einem international bekannten sekulären Kungfu-Meister und Inhaber einer großen Schule in der Nähe des Yongtai-Nonnentempels. Diao Shanduo ist einer der bekanntesten Vertreter des traditionellen Shaolin-Kungfu. Kungfu-Schülern in Europa und Amerika ist er meist  durch seine weltweit verbreiteten Kungfu-Lehrfilme bekannt.
      • Wang Tianren  王天仁    Er trat 1937 in das Shaolin-Kloster ein. Sein Meister, Shi Zhenxu, gab ihm den buddhistischen Namen Suxiang (素祥). Später ging Wang in die Armee und erhielt als Fallschirmjäger militärische Ehrungen. 1952 wurde er Mitglied der Kommunistischen Partei Chinas. Nach seiner Pension 1980 widmete er sich  wieder verstärkt dem Kungfu (Unterricht, Wettkämpfe, Vereine). 
      • Liu Cunliang  劉存良    Liu, 1934 geboren, war ein Laienschüler von Shi Degen aus Dengfeng. Zu seinen „Spezialitäten“ gehören Xiaohong Quan, Paochui und Xinyiba. 
      • Liu Zhenhai  刘振海   Er stammt aus Dajindian im Kreis Dengfeng, wurde 1933 geboren und ist bekannt für sein Shaolin Xinyiquan und Liuhequan. Er verfasste mehrere Bücher, darunter eines über Shaolin Wushu (少林武术拳械录), das von der Wushu-Vereinigung Chinas mit Auszeichnungen bedacht wurde. 1983 wurde er in die Reihe der „10 außerordentlichen Senior-Meister des Faustkampfes“ (“十佳老拳师”) aufgenommen.
      • An Zhenxi  安振喜  
      • Wang Xiqian  王西乾    Wang verfasste 1984 ein Buch über Xiaohongquan.
      • Gen Heying   耿合営    stammt aus Dengfeng und ist ebenfalls für seine Bücher über Shaolin-Kungfu bekannt.
      • Zheng Jinbao  鄭進宝
      • Li Yinzhang 李寅长    aus  Guandimiao
      • Han Shubin  韩树斌    ebenfalls aus Guandimiao
      • Shi Yongwen  石永文    1945 in eine Familie geboren, in der sowohl die Kampfkunst als auch die Heilkunde augeübt wurde, fing er schon in jungen Jahren an, von seinem Vater  Kungfu zu erlernen. Es folgten weitere Meister, bis Yongwen in den 60er Jahren Degen bat, ihn als Schüler anzunehmen. Zur Zeit der Kulturrevolution fuhr er oft von seiner Heimatstadt Kaifeng aus zu Degen nach Guandimiao, um von ihm zu lernen. Als dieser ihn aufgrund seiner Krankheit nicht mehr unterrichten konnte, schickte er ihn zu Wu Shanlin, der ihm Xinyiba und Pao Quan lehrte. Später lernte Shi Yongwen unter anderem noch von Shi Suxi (素喜大师) Tongbi Quan und Säbel-Formen. Von Shi Xingzheng (行正法师) wurde er als Laienschüler angenommen. Da er von ihm den buddhistischen Namen Yongwen erhielt, änderte er seinen ursprünglichen Vornamen Xinwen (喜文) in Yongwen. Auch legte er die Bodhisattva-Gelübde ab. Shi Yongwen zählt zu den herausragenden Vertretern des traditionellen Shaolin-Kungfu mit einem in jeder Hinsicht sehr rustikalen Stil.  Er unterstützte den Shaolin-Tempel in vielfacher Weise, z.B. indem er sich an der Materialsammlung und Forschungsarbeit in Bezug auf  traditionelles Shaolin-Kungfu beteiligte und an wichtigen offiziellen Präsentationen des Shaolin-Tempels (Taiwan-Besuch, 1500-Jahresfeier u.a.) teilnahm, um traditionelles Shaolin-Kungfu vorzuführen. Er schrieb zahlreiche Bücher über Shaolin-Kungfu und ist Inhaber einer Kungfu-Schule in Kaifeng.
      • Zhu Tianxi  朱天喜      Der 1947 geborene Zhu Tianxi ist einer der angesehensten Repräsentanten des traditionellen Shaolin-Kungfu, das in seiner Schule in Zhengzhou weitergegeben wird. Er widmet sich auch der Erforschung von Kungfu, Chan und Medizin des Shaolin-Tempels und veröffentlichte mehrere Bücher über Shaolin-Kungfu, unter anderem eines über Luohan Quan. Die von ihm entwickelte „Shaolin“-Medizin wird von der Henan Healthcare Products Co.Ltd (deren Vorsitzender er ist) verkauft und ist sowohl im Shaolin-Tempels selbst wie auch über mehrere Anbieter im Internet zu beziehen.  Seine Schule und er selbst erhielten zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen. Auch außerhalb von China ist er mittlerweile recht bekannt und kann einige prominente Protagonisten des Shaolin-Kungfu in den USA  seine Schüler nennen. - Bevor Zhu Tianxi (buddh. Name: Xingzhen 行真) von Shi Degen Kungfu lernte, war er einer der favorisierten Schüler von He Ru (何如), einem Meister des Shaolin Taizu-men in der Provinz Henan. Auch He Futong (何福同), der große Taizu-Altmeister, war ihm sehr zugetan und förderte ihn. Zhu war zudem Meisterschüler von Chen Mingyue (陈明月), einem alten Freund von Shi Degen, der seinen Zögling dem Shaolin-Meister empfahl.  So begann Zhu ca. 1965 von Degen Kungfu zu lernen und durchstand mit ihm manche harte Zeit. Zhus eigenen Angaben zufolge war er der letzte enge Schüler, den Degen angenommen hat,- der Schüler, der die Türe schließt (関門弟子) …

      *3



      Fotos *1: aus dem Buch "Luohan Quan" von Shi Yongwen, copyright Shi Yongwen
      Foto *3: copyright yss
      Filmsequenz Yang Guiwu: aus "Shaolin Kungfu, Lots of hard work", download von "youku" (chin. Videokanal).

      Die Inhalte dieses Artikels wurden von mir nach bestem Wissen und Gewissen auf ihren Wahrheitsgehalt hin geprüft und erstellt. Letztendlich geben sie meine Reflektion der Dinge wieder. Quellenangaben sind auf Anfrage hin erhältlich.
      1.11.2010 - yss
      Letzte Änderung: 20.02.2014
      Urheberrechtlich geschützt


      Shi Yanxiang (释延祥) und seine Schüler 
      - Fohan chui -




      Im Sommer 2010 hat Meister Yanxiang die Grundformen des Shaolin Fohanchui, die seine Schüler mittlerweile gelernt haben, auf Video aufgezeichnet. Hier sind zwei von ihnen:






      Dazu noch eine Partnerform mit Waffen:





      Hier der Meister selbst:






      Weitere seiner Videos auf Youtube:



      14.10.2010 - yss
      Urheberrechtlich geschützt
      Foto: copyright yss, veröffentlicht mit Genehmigung von Shi Yanxiang. 
      Sämtliche der oben gezeigten oder verlinkten Videos: copyright Shi Yanxiang,
      Veröffentlichung hier und auf Youtube mit seiner freundlicher Genehmigung
      Shaolin - Mönche und Kampfmönche  (Teil 2)



      Die "Kampfmönche" des Shaolin-Klosters (武僧 wuseng)

      "The gang" *(1)

      Im Shaolin-Kloster gibt es eine besondere Gruppe von Ordensangehörigen, die sogenannten „Kampfmönche“. Als ihr Ursprung werden im allgemeinen die Shaolin-Mönchssoldaten ( 少林僧兵 shaolin sengbing) der Tang-Dynastie angesehen. Es ist jedoch anzunehmen, dass es schon lange vor der Tang-Zeit wie in anderen buddhistischen Tempeln Chinas so auch im  Shaolin-Tempel Mönche gab, die die Kampfkunst beherrschten und sie zur Verteidigung der Interessen des Tempels einsetzten.
      Nach dem Niedergang der Shaolin-Kultur Ende der 20er-Jahre bis Ende der 70er-Jahre des letzten Jahrhunderts und dem unermüdlichem Kampf der Mönche jener Zeit um den Erhalt des alten Könnens und Wissens, wurde 1986 das "Shaolin-Wushu-Team" ( 少林武术队  shaolin wushu dui) gegründet (*). Es wurde 1989 offiziell in "Shaolin Kampfmönch-Truppe" (少林武僧团 shaolin wusengtuan) umbenannt. Die derzeitige Truppe, zu der auch mehr als 19 vollordinierte Mönche gehören, ist ca. 150 Mann stark. Die Aufgaben der "Kampfmönche" haben sich im Laufe der Zeit gewandelt:  heute  liegen sie vor allem in der Repräsentation und Verbreitung von authentischem Shaolin-Kungfu als Hauptkomponente der Shaolin-Kultur. Deshalb favorisiert der Shaolin-Tempel für die chinesische Bezeichnung "武僧" (wuseng) mittlerweile die inkorrekte Übersetzung ins Deutsche als "Kungfu Mönch", ins Englische als "kungfu monk", was dem chinesischen "功夫僧" (gongfu seng) entspräche. Diese Bezeichnung kommt nun der tatsächlichen Tätigkeit der "Kampfmönche" zwar näher,  führt aber weiterhin die Bezeichnung als "Mönch" fort, die meist nicht zutriff, da eben nur ein geringer Anteil der Kampf- bzw. Kungfu-Mönche das Mönchsgelübde abgelegt hat.

      Die nicht ordinierten "Kampfmönche" werden vom Shaolin-Tempel als Lernende (der Shaolin-Kultur) angesehen. Sie sollen innerhalb des Klosters zumindest die fünf Verpflichtungen für Laien befolgen, in der Regel jedoch die 10 Gebote für Novizen. Außerhalb des Tempels und besonders im Ausland halten sich jedoch - früher wie heute - viele von ihnen nicht an diese Gebote; am auffälligsten sind hierbei die Vorliebe für Prestigeobjekte und der Konsum von Fleisch und Alkohol. Die nicht-ordinierten "Kampfmönche"  des Shaolin-Klosters (also die absolute Mehrheit), sind natürlich den Mönchen anderer buddhistischer Klöster nicht gleichgestellt und werden dementsprechen außerhalb des Shaolin-Klosters nicht wie Mönche behandelt. Da sie keine Mönchsgelübde abgelegt haben, ist ihre Bezeichnung als  „Kampfmönche“ , "Shaolin-Tempel-Mönche" unzutreffend und irreführend. Sie hat sowohl in China wie auch im Ausland zu überzogenen Erwartungen in Bezug auf diese Ordensgruppe geführt und in der Folge zu zahlreichen Enttäuschungen und falschen Anschuldigungen. Noch heute kann man – besonders in vom Shaolin-Tempel etwas entfernter gelegenen Gegenden (z.B. Shanghai, Ningbo, Kunming)  auf durchaus gebildete Chinesen treffen, die nicht wissen oder nicht glauben, daß der  Shaolin-Tempel ein Kloster ist, in dem ernsthaft Buddhismus praktiziert wird und in dem es „echte“  Mönche gibt (sic!).  Einer der Gründe hierfür ist m.E., dass der Tempel in Zeiten, als er noch keine ausreichenden Möglichkeiten besaß, seine eigenen Interessen klar zu definieren und wirksam zu vertreten, nur eine einseitige Förderung erfuhr und in der Folge im Inland wie im Ausland über längere Zeit vornehmlich von (echten und falschen) "Shaolinmönch"-Showtruppen repräsentiert wurde. Es scheint, dass sich nach jahrelangen Bemühungen der Tempel in gewissem Umfang vom Diktat bestimmter Interessentgruppen befreien konnte, und nun etwas mehr Freiraum besitzt, eigene Interessen zu verwirklichen und Imageschäden intern wie extern besser aufzuarbeiten zu können, wenn auch weiterhin nur im Rahmen der zur Zeit gegebenen Möglichkeiten. Auf den Umgang des Tempels mit Wahrheit und Lüge, korrekten Bezeichnungen und "Augenwischerei" scheint dies jedoch wenig Auswirkungen zu haben: die Verwischung des Unterschieds zwischen ordinierten Mönchen und nichtordinierten "Kampfmönchen" wird nach wie vor vom Shaolin-Tempel wie auch von den mit ihm verbundenen ausländischen Shaolin-Zentren ausgiebig gepflegt. Zu sehr sind der Tempel und seine kommerziellen Repräsentanten abhängig von dem Image, das mit dieser Unklarheit aufrecht erhalten wird.


      In vielerlei Hinsicht entsprechen die "Kampfmönche" den (in ihrer Frühzeit noch religiös gebundenen) Ordensrittern des europäischen Kulturkreises, die bis heute für Edelmut, Tugendhaftigkeit und Tapferkeit stehen (wenngleich diese Begriffe auch vom Aussterben bedroht sind). Sie richten sich auch nach den „Wu De“ (武德), das sind die moralischen Regeln der altchinesischen Kampfkunst, die in vielen Kampfkunst-Schulen Chinas befolgt werden. Dieser Moralkodex wird ebenfalls im Shaolin-Tempel gepflegt, ist jedoch keineswegs spezifisch für die Shaolin-Kultur. Für einen vollordinierten Mönch ersetzen ohnehin die buddhistischen Gebote jegliche anderen Regeln, so auch die „Wu De“. Viele der "Kampfmönche" haben einen für westliche Verhältnisse hohen Grad an tugendhaftem Verhalten (Sauberkeit, Pünktlichkeit, Zurückhaltung, Ehrlichkeit, Verschwiegenheit, u.v.m.). Einige unter ihnen sind tiefgläubige Buddhisten, auch wenn sie sich später nicht zu einem Leben als Mönch entscheiden, sondern zeitlebens im Laienstand bleiben.  

      Die Gruppe der "Kampfmönche" besteht überwiegend aus jungen Erwachsenen sowie einigen Kindern und Jugendlichen. Ein wesentlicher Teil von ihnen wird aus einer mit dem Shaolin-Tempel in familiärer Verbindung stehenden Kampfkunstschule in Anhui rekrutiert, doch auch besonders begabte Kampfkunstschüler von Schulen aus Henan, Hebei und anderen Provinzen werden vom Shaolin-Tempel aufgenommen.  Ihre Hauptaufgabe  ist das Erlernen, Perfektionieren und Ausüben bzw. Vorführen des Shaolin-Kungfu (im Idealfall als Teil ihrer buddhistischen Praxis). Da sie außergewöhnlich hohen physischen Anforderungen entsprechen müssen, ist für die meisten von ihnen ihre Aufgabe als aktive Repräsentanten der Kampfkunst des Tempels zeitlich begrenzt. Auch wird die Arbeitskraft dieser jungen Männer oft zur Bestreitung des Lebensunterhalts ihrer Familie (Eltern, Geschwister) gebraucht, zumal diese nicht die im Westen übliche soziale Absicherung genießt. Einige von ihnen sind,- vermutlich keineswegs unentgeltlich -, neben ihrer Arbeit für den Shaolin-Tempel als Lehrkräfte an Kampfkunstschulen tätig. Für ihre weitere Zukunft wünschen sich viele „Wuseng“ eine Karriere im Film- resp. Stuntgeschäft  und im Showgeschäft oder eine eigenen Kampfkunstschule.  Desweiteren gibt es  Berufsmöglichkeiten im Staatsdienst (Polizei, Militär) wie auch im privaten Sektor des Personen- und Objektschutzes u.a. Nur wenige sind im Alter von 40 Jahren noch im Tempel, dann entweder als Lehrkräfte und Experten für Shaolin-Kungfu und/oder als vollordinierte Mönche.



      Aus der Gruppe der "Kampfmönche" werden je nach Bedarf die Showteams des Shaolin-Tempels zusammengestellt, hauptsächlich für  Vorführungen im Tempel anläßlich besonderer Besucher oder Festivitäten, für repräsentative Inlands- und Auslandsreisen und für spezielle Projekte im kulturellen Bereich. In den letzten Jahren trat hier eine Gruppe besonders hervor: das Showteam für das Tanzprojekt „Sutra“ (chin. Name: "空间"). Das Tanzprojekt wurde von dem weltbekannten Tänzer und Choreographen Sidi Larbi Cherkaoui aus Belgien ins Leben gerufen. Zusammen mit ca. 18 Kampfmönchen des Shaolin-Tempels schuf er ein einzigartiges Tanztheaterstück. Es zeigt mit minimaler, doch äußerst effektvoller Ausstattung einen Reigen von Geschichte(n) des Shaolin-Tempels und seiner Mönche, in dem sich die Kunstfertigkeit seiner Protagonisten voll entfalten kann. Die ausdrucksstarken Bilder entsprechen in ihrer Ästhetik, Poesie, freien Interpretierbarkeit und mitunter auch Rätselhaftigkeit sowohl allgemeinen Vorstellungen von Chan-Buddhismus wie auch dem vom Shaolin-Tempel gepflegten Image. Der Tempel bietet in seiner homepage eine Videoaufnahme der Aufführung von "Sutra" an: "SUTRA"-Link
      Das Stück feierte weltweit herausragende Erfolge; die Truppe (später mit wechselnder Besetzung) wurde immer wieder zu Festivals eingeladen und war mehrere Jahre lang auf Welt-Tournee. Die in das Projekt involvierten Kampfmönche konnten durch die vielen Reisen, die künstlerische Arbeit in niveauvollem Rahmen und die Kontakte mit der internationalen Theater- und Tanzszene ihren Erfahrungsschatz und geistigen Horizont erheblich erweitern. Inwieweit sie dieses außer interessanter Arbeit auch Freiheiten und Annehmlichkeiten bietende Künstlerleben mit dem Klosterleben vereinbaren konnten und wollten, war von ihren individuellen Neigungen und Fähigkeiten abhängig. Beides erfolgreich zu kombinieren, hat z.B. der Leiter des „Sutra"-Showteams, Yanhao (延豪),  vollbracht. Mit bemerkenswerter Stringenz verband er in den letzten Jahren das weltliche Leben – neben der Arbeit in Tanz-Projekten auch Lehrtätigkeit in privaten, zusammen mit anderen Kampfmönchen geführten Kampfkunstschulen  u.v.m.  – mit engagierten Aktivitäten innerhalb des Klosters, zu denen die Teilnahme an den winterlichen Chan-Wochen, der Abschluss der internen Tempel-Prüfungen mit Bestnoten u.a. zählten. Angesichts seiner tadellosen Pflichterfüllung hinsichtlich der klösterlichen Aufgaben und den herausragenden weltlichen Erfolgen bei gleichzeitig bescheidenem, pragmatisch orientiertem Auftreten verwundert es nicht, daß er einmal anlässlich der Betreuung einer aus Großbritannien angereisten Schülergruppe im englischsprachigen Teil der homepage des Tempels als der „Lieblings-Kampfmönch“ („most favorite warrior monk“) des Abtes gepriesen wurde.  Eine für viele Shaolin-Kampfmönche vorbildliche Karriere.

      Sutra *(2)


      In den Jahrzehnten seit der Wiedereröffnung des Shaolin-Tempels waren viele Mitglieder der "Kampfmönch"-Truppe  zur Vorführung der Shaolin-Kampfkunst auf Auslandstourneen. Nicht wenige von ihnen entschlossen sich dabei, im Ausland zu bleiben und eigene Shaolin-Kungfu-Schulen zu errichten, manche darunter sind von sehr guter Qualtität.  Auch hat in den letzten 10 bis 15 Jahren der Abt des Shaolin-Klosters, Shi Yongxin (永信大和尚), verschiedene "Kampfmönche" offiziell mit der Gründung von Shaolin-Zentren im Ausland beauftragt. Die Errichtung neuer Shaolin-Zentren im Ausland zur weltweiten Verbreitung der Shaolin-Kultur ist ein erklärtes Ziel des Shaolin-Tempels. In Anbetracht des Anspruchs, nicht nur Kampfkunst, sondern auch den im Rahmen der Shaolin-Kultur wichtigen Chan-Buddhismus zu verbreiten, ist es wünschenswert, dass diese Aufgabe auch vollordinierten Mönchen übertragen wird. Dies hat auch der Abt des Shaolin-Klosters erkannt und so gibt es mittlerweile weltweit mehrere Shaolin-Zentren, die von Shaolin-Kampfmönchen geleitet werden, die diesem Namen von ihrem monastischen Status her gerecht werden.

       


      Zum Abschluß kurz noch folgende 2 Begriffserklärungen:


      Der Begriff „Großmeister“  (大师 dàshi) wird im Buddhismus als generelle Bezeichnung für einen bedeutenden Mönch verwendet. Heute weist der Begriff im täglichen Gebrauch auch auf die dem Meister nachfolgenden Generationen hin, bezeichnet also solche Meister, deren Schüler selbst schon Schüler unterrichten. Diese Meister werden auch „shiye“ (师爷) genannt. Kommt eine weitere Schülergeneration hinzu, nennen sie diesen Meister „zhushiye“ (祖师爷), mit der Bedeutung von „Urgroßmeister“ bzw. "Großmeister-Vorfahr".
      Die Begriffe „sigong“ (师公) und „sitaigong“ (师太公) sind die Bezeichnung für „Großmeister“ und „Urgroßmeister“ in kantonesischer Sprache. Wie die obengenannten Begriffe in Hochchinesisch  (Mandarin) bezeichnen auch sie weder  ein Amt noch Verdienste, Qualitäten, Kenntnisstand oder gar Erleuchtungsgrad eines Meisters, sondern lediglich ein Beziehungsverhältnis.



      Mit „Sujia Dizi“ (俗家弟子) werden allgemein buddhistische Laienanhänger, resp. Laienjünger eines buddhistischen Meisters oder Klosters bezeichnet. Im Zusammenhang mit dem Shaolin-Tempel wird diese Bezeichnung oft im Zusammenhang mit Kungfu-Meistern und TCM-Ärzten verwendet, die in einem früheren Lebensabschnitt selbst dem Shaolin-Kloster angehörten, es später aber wieder verließen (meist, um eine Familie und/oder eine eigene Kampfkunstschule bzw. Arztpraxis zu gründen) oder aber solche, die nie selbst im Shaolin-Tempel lebten, doch einen im Tempel lebenden Mönch zum Meister hatten, mit der "Zufluchtnahme-Zeremonie" (im Shaolin-Tempel) den buddhistischen Glauben angenommen haben. Ein "Sujia Dizi" des Shaolin-Tempels praktiziert aktiv die Shaolin-Kultur, und es wird von ihm erwartet, dass er den Ruhm und die Ehre des Tempels verteidigt. Im Kreis Dengfeng,- Dengfeng ist die dem Shaolin-Kloster nächstgelegenen Stadt-, gibt es naturgemäß nicht wenige Kungfu praktizierende „Sujia Dizi“, oft sind es ganze Kungfu-Familien, die seit Generationen Shaolin-Kungfu „an der Quelle“ gelernt haben und dem Tempel verbunden sind. Herausragende Größen unter ihnen sind Hao Shizai, Liang Yiquan, Liu Baoshan.


      * ~~~ *


      Text *: hierzu divergieren die Angaben auf der jetzigen homepage des  Shaolin-Tempels: im Curriculum des Abtes (http://www.shaolin.org.cn/templates/EN_T_new_3list/index.aspx?nodeid=340 ) wird - wie in den meisten älteren Quellen - als Gründungsjahr 1987 angegeben; in dem Artikel über die Kampfmönch-Truppehttp://www.shaolin.org.cn/templates/EN_T_new_list/index.aspx?nodeid=413 ) das Jahr 1979. 


      Foto *(1) "The gang": copyright Chris Bastian, Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Chris Bastian
      Foto *(2) copyright Songshan Shaolinsi, Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Meister Yan Kai
      Alle übrigen Fotos (aufgenommen am 03.10.2008 im Songshan Shaolin-Tempel): copyright yss


      Die Inhalte dieses Artikels wurde von mir nach bestem Wissen und Gewissen auf ihren Wahrheitsgehalt hin geprüft und erstellt. Letztendlich geben sie meine Reflektion der Dinge wieder. Quellenangaben sind auf Anfrage hin erhältlich.
      29.7.2010 - yss
      Urheberrechtlich geschützt
       Letzte Änderung: 17.05.2012 - yss


      Shaolin - Mönche und Kampfmönche  (Teil 1)



      Die Gemeinschaft aller Buddhisten (Sangha) wird in China „sengsú“ (僧俗) genannt. Sie wird in sieben Klassen (七众 qi zhòng) unterteilt: fünf Gruppen von Ordensleuten (五众 wû zhòng), dazu Laienanhänger (优婆塞 youpósài) und Laienanhängerinnen (优婆夷   youpóyí). Die fünf Gruppen von Ordensleuten sind folgende:
      • Mönche  (比丘 bîqiu)
      • Nonnen  (比丘尼    bîqiuni) 
      • Nonnen-Aspirantinnen  (式叉摩那 shìchamóna) 
      • Novizen  (沙弥  shami)    
      • Novizinnen  (沙弥尼   shamini)
      Von diesen gibt es Mönche und Novizen im Hauptsitz  (常住院 changzhuyuan) des Shaolin-Kloster sowie in den meisten seiner Nebentempel (下院 xiayuan). Die Anzahl  vollordinierter Mönche im Hauptsitz wurde im April 2012 von der Tempelleitung auf persönliche Anfrage hin mit 227 beziffert; naturgemäß variiert sie jedoch von Jahr zu Jahr. In der vom Tempel in den öffentlichen Medien genannten Anzahl an Mönchen sind meist Mönche und Kampf-"Mönche" zusammengefasst, wodurch die Anzahl höher erscheint.  

      Nonnen und Novizinnen findet man in der dem Shaolin-Kloster angeschlossenen  „Einsiedelei des Gründerpatriarchen“ (初祖庵 chuzu an), die am Berg hinter der Klosteranlage liegt, sowie im Luya-Tempel (卢崖寺) im Kreis Dengfeng. Das bekannte Yongtai-Kloster (永泰寺 yongtai si), ein ca. 5 km vom Shaolin-Tempel entferntes Nonnenkloster mit integrierter Kampfkunstschule, steht seit seiner Gründung in der Dynastie der Nördlichen Wei (386-584) mit dem Shaolin-Tempel in Verbindung, ist jedoch ein selbständiges Kloster  unter eigener, vom Shaolin-Tempel unabhängiger Verwaltung.


             
      Die Mönche des Shaolin-Klosters (比丘 biqiu / 和尚 heshang)


      Als vollordinierte Mönche sind sie den Mönchen anderer buddhistischer Klöster gleichgestellt. Ihre buddhistische Praxis entspricht weitgehend der anderer Chan-Mönche in China. Diese schließt - neben der den Mönchen zugeteilten Arbeiten und Aufgaben im bzw. für das Kloster – verschiedene Arten von Meditation sowie die Kalligraphie (书法 shufa) und den Teeweg (禅茶 chan-cha) ein. Zu den traditionellen Tätigkeiten zählen zudem das Studium der Schriften, das Abhalten von Zeremonien, die Unterweisung von Laienanhängern und Novizen in der buddhistischen Lehre. Sie umfassen jedoch auch das interne und externe Management des Klosters und seiner zahlreichen Veranstaltungen sowie die Pflege der besonders im Shaolin-Tempel außerordentlich vielfältigen gesellschaftlichen Beziehungen. Welche Tätigkeiten zur Hauptbeschäftigung eines Mönchs werden, bestimmt in der Regel neben seiner Fähigkeiten das von ihm übernommene Amt in der klösterlichen Hierarchie. Je größer ein Kloster ist, desto größer ist meist auch die Anzahl und Differenziertheit der zu besetzenden Ämter. Einmal im Jahr werden im Shaolin-Kloster in einer Generalversammlung für die leitenden Positionen entweder die alten Amtsinhaber bestätigt oder neue Mönche  in das Amt eingesetzt. Dies richtet sich einerseits nach der Zufriedenheit des Abtes und der Mönchsgemeinschaft mit der geleisteten Arbeit, andererseits auch nach der Bereitschaft eines Mönchs, ein Amt zu übernehmen bzw. weiterhin auszuführen. Wie in den meisten buddhistischen Klöstern, ist im Shaolin-Tempel der Abt von dieser demokratisch erscheinenden Regelung ausgenommen, er erfüllt traditionsgemäß die Rolle eines "Buddhas in der Gegenwart", unterliegt jedoch der politischen Regierungsmacht.

      Shi Yanru (释延如) *(1)
      Die Besonderheit eines Shaolin-Mönchs ist, dass er auch Shaolin-Kungfu als buddhistische Kultivierung und Weg zur Erleuchtung versteht und - soweit möglich – praktiziert. Dies macht nicht nur den Unterschied von Mönchen des Shaolin-Tempels zu jenen anderer Tempel aus, sondern auch den Unterschied von Shaolin-Kungfu zu anderen chinesischen Kampfkünsten. (“The abbot explained that Shaolin kungfu is different from martial arts. Kungfu is a Buddhist practice with the purpose of purifying the soul and building character. Both scripture chanting and skill exercises are Buddhist practices in the temple. …” aus:  China Today, Reports in 2004, “The Shaolin Kungfu Legacy” von Zhang Xueying, URL: http://www.chinatoday.com.cn/English/e2004/e200409/p38.htm, download am 24.6.2010)
      Leider sind im Tempel die Mönche, die Shaolin-Kungfu ausüben, in der Minderheit,- sowohl gegenüber Mönchen, die kein Kungfu praktizieren wie auch gegenüber den nicht-ordinierten "Kampfmönchen", für die Kungfu die Hauptbeschäftigung und meist der wichtigste Grund für ihren Aufenthalt im Kloster darstellt (siehe "Shaolin - Mönche und Kampfmönche Teil 2"). Schon früh bemühte sich Shi Yongxin, dies zu ändern und interessierten Mönchen Unterricht von den besten Meistern des Tempels anzubieten,- mangels Beteiligung der Mönche wurde der Unterricht jedoch wieder eingestellt. Öfter als dass ein "Betmönch" (文僧) begann, Shaolin-Kungfu zu lernen, war es, dass ein "Kampfmönch" (武僧) begann, sich vermehrt für Buddhismus zu interessieren und sich nach einer "Testphase" entschied, die Mönchsregeln auf sich zu nehmen. So sind die Mönche, die den ordinierten Mönch und  den Meister im Shaolin-Kungfu in ihrer Person vereinen, der eigentliche, eher etwas zurückgehaltene Schatz des Tempels und mit keinen Meistern aus dem Laienstand vergleichbar, gleich wie hervorragend deren Kampfkunst sein mag. 
      Der Abt Shi Yongxin selbst hat sich nur wenige Jahre in seiner Jugend aktiv mit der Kampfkunst beschäftigt und schon früh den Schwerpunkt seiner Tätigkeiten auf Organisation und Management gelegt. Wird er heute danach gefragt, wofür er gerne mehr Zeit hätte, so gibt er nicht das Üben von Kungfu an, sondern die Meditation (*I). Es gibt jedoch einige Mönche im Tempel, die auch mit zunehmendem Alter noch das Shaolin-Kungfu praktizieren und unterrichten.

      Der Shaolin-Mönch Shi Xingdu (释行渡), Gelehrten-Mönch und Kampfmönch in einem, unterrichtet *(2)



      Die Aufnahme ins Kloster und Mönchsweihe


      Die Aufnahme ins Kloster als Novize und die spätere Mönchs- resp. Nonnenordination kennzeichnen den Eintritt in die sogenannte „Hauslosigkeit“ (出家入道 chu jia ru dao = wörtl.: das Zuhause verlassen und den Weg antreten),- ein Leben außerhalb familiärer und zum Großteil auch gesellschaftlicher Bindungen mit dem Ziel der Buddhaschaft. Voraussetzung für die Aufnahme ist, dass der Bewerber gesund und schuldenfrei ist und daß ein Mönch ihn als Schüler annimmt, sein „Tonsur-Meister“ (剃度师  tìdù shi) wird.

      Ein Dekret des Kaisers Taizu der Ming-Dynastie aus dem Jahr 1391 zeigt, welche Kriterien damals ein Aspirant erfüllen mußte, wenn er einem buddhistischen Orden beitreten wollte:
      “(Ein Mönchs-Aspirant) muß älter als 14 und jünger als 20 Jahre sein. Er muß die Einwilligung seiner Eltern haben. Nachdem er der Behörde resp. dem Richter gemeldet wurde und von seinen Nachbarn empfohlen wurde, kann er zu einem Kloster gehen und unter einem Meister lernen. Nach fünf Jahren, wenn er in den Schriften versiert ist, kann er zum Büro für Buddhistische Angelegenheiten gehen, um dort die Prüfung abzulegen. Nur wenn er sich als in den Schriften ausreichend bewandert erweist, erhält er ein Ordinationszertifikat. Wenn er das Examen nicht besteht, muß er in den Laienstand zurückkehren. Wenn seine Eltern nicht einwilligen, wenn es keinen anderen Sohn oder Enkel gibt, der den Eltern oder Grosseltern dienen kann, darf er nicht das Leben im Haushalt aufgeben. Wenn jemand älter als 30 oder 40 Jahre ist und zuvor ein Mönch war, später aber in den Laienstand zurückgekehrt ist, oder mit dem Begehen eines Verbrechens gebrandmarkt ist, darf er nicht das Leben als „Haushälter“ aufgeben.“  (*II)


      Shi Yanyun (释延云) *(3)
      Bei seinem Eintritt in das Shaolin-Kloster soll ein Aspirant heute ein Mindestalter von 13 bis 16 Jahren haben. Mit der Tonsur / dem Scheren des Kopfes (剃 度 tì du) wird er zum Novizen und verpflichtet sich zur Einhaltung der Novizen-Regeln, deren Sinn und Bedeutung er in der folgenden Zeit lernt. Zudem soll er die in den Zeremonien rezitierten Texte auswendig lernen, am Buddhismus-Unterricht teilnehmen und Kungfu lernen sowie bestimmte Arbeiten und Aufgaben für seinen Meister ausführen. Er erhält einen von seinem Meister ausgestellten Ausweis (号条 hào tiáo)  und kann nach einem Noviziat von ca. zwei bis drei Jahren das Mönchsgelübde ablegen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt soll er die Volljährigkeit, für  die auch in China das Alter von 18 Jahren festgelegt ist, erreicht haben. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lag das Mindestalter für die Mönchsordination noch bei 20 Jahren.
      Um die Mönchsordination zu erhalten, reist der Novize zu einem der Weihe-Tempel in China, die in relativ regelmäßigen Abständen mit staatlicher Genehmigung die sogenannte "Dharmaversammlung zur Übermittlung der großen Regeln der drei Plattformen" (传受三坛大戒法会) durchführen. In deren Verlauf absolviert der Novize ein intensives Programm zur Vorbereitung auf sein Mönchsleben, mit ausführlichen Unterweisungen in die Mönchsregeln, die buddhistische Etikette, die wesentlichen buddhistischen Rituale u.v.m. Nach vollzogener Mönchsweihen wird ihm ein sogenanntes Ordinationszertifikat (戒牒 jièdie) ausgehändigt,- es gilt als Nachweis darüber,  dass er Mitglied der buddhistischen Sangha ist. Das Ordinationszertifikat ist ein offizielles Dokument und muss von der zuständigen Regierungsinstitution, d.h. von der Buddhistischen Vereinigung Chinas (中国佛教协会 zhongguo fojiao xiehui) bestätigt sein.




      Die buddhistischen Gebote/Regeln (佛戒  fo jie)


      Eine der wichtigsten Schriften des Buddhismus ist der Pali-Kanon („Dreikorb“), von dessen drei Teilen der „Korb der Ordensregeln“ oder „Korb der Disziplin“ (Vinaya-Pitaka) die  Grundlage für das buddhistische Mönchstum bildet. Der Vinaya-Pitaka ist in zwei Teile untergliedert: der erste Teil, das Patimokkha, enthält die Mönchs- und Nonnenregeln, der zweite bietet eine reiche Beispiel-Literatur, Zusammenfassungen u.a.   
      Die frühesten chinesischen Übersetzungen des Vinaya-Pitaka stammen aus dem Jahr 404 (von Puṇyatara 弗若多羅) und aus der Zeit von 416 bis 418 (von Buddhabhadra 佛陀跋陀羅). Der Vinaya-Pitaka ist in drei heute noch existenten Traditionslinien überliefert. Zu Beginn des 8. Jahrhunderts wurde per kaiserliches Dekret verordnet, dass der Vinaya der Dharmaguptaka-Linie in den buddhistischen Klöstern des chinesischen Reiches alleinige Gültigkeit haben solle. Er wird als der "vierteilige Vinaya" (四分律) bezeichnet und ist bis heute in China und Taiwan sowie in Teilen von Japan und Korea bestimmend.
      Als eine „importierte“ Religion war der Buddhismus in China stets auch Anfeindungen ausgesetzt und viele der Gebote des Vinaya kollidierten regelrecht mit den in China gültigen konfuzianischen Regeln moralischen Verhaltens, besonders mit der "Kindesehrfurcht" ("孝 xiao" oder "孝顺 xiaoshun"). Schon allein durch den Auszug in die Hauslosigkeit und der daraus resultierenden Kinderlosigkeit wurde ein im Konfuzianismus lebenswichtiges Prinzip  verletzt: die Ahnenlinie wurde abgebrochen und es gab keine  Nachkommenschaft, welche die Eltern und Großeltern versorgen und die geforderten Ahnenopfer ausführen konnten. Die Tonsur/das Scheren des Kopfes beim Eintritt in ein Kloster widersprach der Kindespflicht, da man nach konfuzianischer Sicht seinen Körper nur von den Ahnen geliehen hatte und nichts von ihm absichtlich entfernen resp. abschneiden durfte. Der tägliche Bettelgang der Mönche widersprach der Gepflogenheit, vornehmlich für Familienangehörige und im Arbeitsverhältnis stehende Untergebene zu sorgen, u.v.m.

      Bei der Entwicklung und Anpassung des Buddhismus in China entstanden zahlreiche apokryphe Schriften, welche unter anderem die dem Dharmaguptaka-Vinaya entsprechenden Ordensregeln den gesellschaftlichen Gegebenheiten anpassen und sie bei Bedarf auch zumindest teilweise ersetzen  sollten, so die  Fanwang-Sutra (梵網經 fanwang jing) und Pusa-Yinglo-Sutra (菩薩瓔珞經 pusa yingluo jing). Neben Exegesen und „erbaulichen Schriften“ erschienen auch Kompilationen mit Zenkloster-Vorschriften, die zunehmend Bedeutung erlangten. Ein erstes umfassendes Regelwerk für Chan-Klöster wurde Baizhang Huaihai (百丈懷海, 720-814) zugeschrieben, ist jedoch nicht erhalten. Mehrere Werke späterer Zeit berufen sich auf die "Reinen Regeln" (清規 qinggui) von Baizhang,  nichtsdestotrotz gibt es keinen hinreichenden historischen Beleg dafür, dass Baizhang selbst ein Regelwerk verfaßte. Zu den frühesten erhaltenen Regelwerken für Chan-Klöster zählen die "Richtschnur für die Chan-Klöster" ( 禅门规式 chanyuan guishi) aus dem Jahr 1004 und die „Reine Regel der Chan-Klöster“ (禅院清規 chanyuan qinggui) von 1103. Gegen Ende der Yuan-Dynastie wurden die Mönche Dongyang Dehui (東陽德輝) und Xiaoyin Daxin (笑隱大訢) auf kaiserlichen Befehl hin mit einer Revision der Ordensregeln beauftragt, um ein einheitliches, für alle Klöster verbindliches Regelwerk zu erschaffen. Sie stellten 1343 die  "Auf Erlass verbesserte Reine Regel von Baizhang" (敕修百丈清規  chixiu baizhang qinggui) fertig. Die ersten Jahrzehnte nach ihrem Erscheinen kursierte diese frei in den buddhistischen Klöstern, bis sie 1382 von Kaiser Taizu, dem Gründer der Ming-Dynastie, per Erlaß als für alle Chan-Klöster verbindlich erklärt und daraufhin die gesamte Ming-Zeit hindurch angewandt wurde. In der  Qing-Dynastie erschien noch 1823 das von dem Mönch Yirun (儀潤) verfasste Werk "Kommentar und Reine Klosterregel von Baizhang" (百丈叢林清規證義記 baizhang conglin qinggui zhengyiji), nach dessen Regeln 1904 die  Ordination des berühmten buddhistischen Mönchs Taixu vollzogen wurde.

      Die von der Ordensgemeinschaft (僧伽 sengqie) zu befolgenden Gebote lassen sich in drei Hauptgruppen unterteilen :

      • Gebote für Novizen  (沙弥戒  shami jiè)
      • Gebote für Mönche / Nonnen  (比丘戒     biqiu jiè / biqiuni jiè)
      • Bodhisattva-Gebote  (菩薩戒    púsa jiè)

      Novizen und Novizinnen müssen 10 Gebote einhalten, von denen die ersten fünf identisch sind mit jenen, die ein buddhistischer Laie befolgen soll. 
      Die Mönche befolgen 250 Regeln moralischen Verhaltens, Nonnen hingegen 348, zu denen immer noch die umstrittenen „Acht Nonnen-Regeln des Respekts“ (比丘尼八敬戒) zählen. In China gehört zur vollen Ordination eines Mönches / einer Nonne in jedem Fall auch das Gelübde auf die Einhaltung der Bodhisattva-Regeln,- ohne dieses werden sie nicht als vollordiniert anerkannt. 
      Das Bodhisattva-Gelübde kann von allen fünf Klassen der buddhistischen Sangha abgelegt werden. Es beinhaltet insgesamt 58 Regeln: 10 schwere  (重戒  zhong jie) und 48 leichtere Regeln (轻戒qing jie). Es wird als das  letzte und höchste Gelübde angesehen und ist oft mit einem speziellen Ritual  verbunden: eine Anzahl kleiner, holzkohlen-ähnlicher Räucherkegel wird mit Dattelpaste auf dem Kopf des Aspiranten befestigt,  angezündet und niedergebrannt (燃顶 shao ding). Meist sind es drei, sechs oder neun Räucherkegel. Normalerweise werden sie, kurz bevor sie vollständig niedergebrannt sind, wieder entfernt. Dieses schmerzhafte und nicht ganz ungefährliche Ritual hinterläßt auf dem Kopf Brandnarben, die sogenannten „Ordinationsnarben“ (戒疤 jieba). Es symbolisiert die Bereitschaft, sein Leben für die drei Juwelen (Buddha, Lehre und buddh. Gemeinde/Sanga) und die „fühlenden Lebewesen“ aufzugeben und bezieht sich auf eine Episode in der Vita des Shakyamuni-Bodhisattva (d.h. des Buddha unseres Zeitalters bevor er zum Buddha wurde), derzufolge er sich als lebende Kerze für die drei Juwelen und die „fühlenden Lebewesen“ opferte. Manchmal wird dieses Ritual von den Mönchen und Nonnen auch wiederholt durchgeführt. Wenn Laienbuddhisten die Bodhisattva-Gelübde ablegen, werden die Räucherkegel meist auf der Innenseite des linken Unterarms oder auf der Schulter abgebrannt, dies auf Wunsch ebenfalls mehrmals. In der heutigen Zeit wird dieses Ritual jedoch wegen seiner mitunter  gesundheitsschädigenden Nachwirkung - z.B. Infektionen, chronische Migräne u.a. -  selten durchgeführt. Es ist jedem selbst überlassen, ob dieses sichtbare Zeichen für sich als wichtig erachtet.
      Eine extremere Variante, die in früherer Zeit praktiziert wurde, ist die Widmung eines Fingers, der abgebrannt wurde.

       " 燃顶"  im Shaolin-Tempel 2010  (4)



      Die Aufgaben der Mönche gegenüber den Laien

      Zu den hauptsächlichen Aufgaben eines Mönches gegenüber der Laienschaft gehört die Weitergabe und  das Vermitteln des Dharma, d.h. der Lehre des Buddha (说法). Ein Mönch kann ca. 10 Jahre nach seiner Ordination Schüler annehmen, dies ist jedoch stets abhängig von seiner Fähigkeit, die buddhistische Lehre zu verstehen und weitergeben zu können. Ist der Meister des Mönchs der Ansicht daß dieser ein ausreichendes Verständnis der Lehre erlangt hat, vollzieht er die „Übertragung des Dharmas“ (传法 chuan fa), womit er auch die Befähigung des Mönchs zur Lehre anerkennt. Es braucht also nicht zu verwundern, wenn manche Mönche nach kürzerer Zeit offiziell Schüler annehmen dürfen, und andere Mönche nie.
      Die Unterweisung in die buddhistische Lehre und  die Verbreitung des Dharma erfolgt seit des Buddhas Zeiten nicht nur auf persönlicher Ebene sondern auch in der Allgemeinheit zugängigen öffentlichen Vorträgen. Hinzugekommen ist die Lehre in Schulen, Akademien, Universitäten,- sozusagen in "halb-öffentlichem Bereich". Früher wie heute gibt es ein gravierendes Gefälle zwischen diesen "gelehrten" Meistern des Buddhismus und den ungelehrten.
       Seit jeher ziehen die buddhistischen Lehrer, die in der allgemeinen Öffentlichkeit auftreten, in besonderem Masse eine Anhängerschaft auf sich. Dies ist nicht nur von ihrer buddhistischen Weisheit abhängig, sondern auch von ihrer Wortgewandheit, ihrem Charisma (oder ihrer Fähigkeiten der Selbstinszenierung), ihrem Zugang zu massenwirksamen Medien, ihrer Neigung, sich dieser auch zu bedienen u.v.m. Früher wie heute ist in manch einem äußerlich unscheinbaren, zurückgezogenen Meister eher eine "buddhistische Perle" versteckt, als in einem allseits bekannten, der "bei Hofe" ein- und ausgeht (was der Legende nach schon Bodhidharma tunlichst vermied). 
      Die Besonderheit des Shaolin-Klosters ist, dass es in ihm Dharma-Meister gibt, die ihren Schülern Chan-Buddhismus durch das "Medium" Kungfu lehren können. Ihr Unterricht in Shaolin-Kungfu kommt somit einer chan-buddhistischen Unterweisung gleich. 

      Eine weitere wichtige Aufgabe der Mönche, sowohl allgemein wie auch des Shaolin-Klosters, ist das Abhalten von Ritualen und Zeremonien (佛式 foshi). Eine Vielzahl von ihnen werden gegen Bezahlung für die Laienschaft ausgeführt, so z.B.  Sutra-Rezitationen für Kranke, Segnungen bei Einweihungen (meist von Geschäften) und insbesondere Totenfeiern. Hinzu kommen die wiederkehrenden buddhistischen Feste:  „Geburtstage“ von Buddhas und Bodhisattvas, Ullambana (Fest zur Befreiung der Hungergeister), Vesak (Geburt, Erleuchtung und Parinirvana des Buddha), das "Wasser-Land-Ritual" u.a., mit deren Durchführung den Klöstern traditionsgemäß umfangreiche Spenden und Zuwendungen zufließen.


      *~~~*


      Foto1, 2 und 4: copyright by yss. Veröffentlichung von Foto 2 mit freundlicher Genehmigung von Shi Xingdu, von Foto 1 und 3 mit Genehmigung von Shi Yankai
      Foto 4: copyright by China Songshan Shaolin Tempel (中国嵩山少林寺), Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Shi Yankai  (释延开)

      Text:
      *I: Quelle: "Shaolin goes global"
      *II: Übersetzung nach: Yü, Chün-fang. The Renewal of Buddhism in China: Chu-hung and the Late Ming Synthesis. New York: Columbia University Press, 1981.  (S.158-159) 


      Die Inhalte dieses Artikels wurden von mir nach bestem Wissen und Gewissen auf ihren Wahrheitsgehalt hin geprüft und erstellt. Letztendlich geben sie meine Reflektion der Dinge wieder. Quellenangaben sind auf Anfrage hin erhältlich.
      07.07.2010 - yss 
      Letzte Änderung: 23.06.2013
      Urheberrechtlich geschützt






       Shi Dechan   释德禅




      Einer der herausragenden Mönche des Shaolin-Tempels  der Neuzeit ist Shi Dechan. Die 86 Jahre seines Lebens erstreckten sich über das 20. Jahrhundert, eine Zeit, die den Menschen in China dramatische Umbrüche im gesellschaftlichen und kulturellen Bereich  brachte. Shi Dechan ist einer  der wenigen Mönche, die - Repressalien, Gefahren wie auch Verlockungen zum Trotz - dem Shaolin-Tempel nie den Rücken zugekehrt, sondern sich stets für seinen Erhalt und für das Überleben der Shaolin-Kultur eingesetzt haben. Zudem vereinigt er in seiner Person die drei Säulen der Shaolin-Kultur : Chan-Buddhismus,  Kampfkunst und Traditionelle Chinesische Medizin. Einige der heutigen Shaolin-Mönche und -Meister haben ihn noch kennengelernt und konnten an seinem vielfältigen Wissen und seinem außergewöhnlichen Erfahrungsschatz teilhaben.


      1. Shi Dechan



      Die Jugendjahre

      Früh in seinem Leben lernte Shi Dechan,- mit weltlichem Namen Liu Erhe (刘二和),- Armut und Not kennen.*1 Er wurde 1907 in dem Dorf Zuo Zhuang (左庄 / Cheng Guan Zheng) im Kreis Dengfeng der chinesischen Provinz Henan (登封市,河南省) als Sohn einfacher Eltern geboren. Schon als Kind mit dem Verlust seines Vaters konfrontiert, war er gezwungen, seine Familie zu verlassen. So kam er im Alter von 9 Jahren in den Shaolin-Tempel, wo ihn der Chanmeister Suguang (素光禅师) als Schüler annahm. Nach nur einem Jahr verstarb Suguang und Dechan wurde an die Mittelschule des Shaolin-Tempels  geschickt, die er 1920 erfolgreich abschloss. „Anfangs war es sehr schwer, ich habe oft geweint, aber ich lernte bald, Schmerzen durch Konzentration zu überwinden“, erzählte Shi Dechan in den 80er Jahren in einem Interview der Zeitschrift „Spiegel“ über seine ersten Jahre im Shaolin-Tempel. Und: "Ein Shaolin-Mönch zu sein und nicht Kungfu zu beherrschen, wäre eine schreckliche Schande gewesen"*2 .
      Shi Zhenjun (貞俊, 1865-1939) - sein „Meister-Großvater“ (师爷) und eine Autorität im Tempel - erkannte die Intelligenz des Jungen und seine Eignung zu einer intellektuell anspruchsvollen Tätigkeit. Er schickte ihn zu Meister Jixue (寂学), einem bekannten buddhistischen Möncharzt  im Huangwan-Kloster (黄湾庙) sowie zu dem alten Mönch Zhanying (湛盈) im Jingang-Tempel (金刚寺) in die Lehre, um ihn in Traditioneller Chinesischer Medizin und in buddhistischer Kloster-Medizin ausbilden zu lassen. Dechan erwarb von den Meistern ein profundes Wissen, studierte intensiv die medizinischen Klassiker und graduierte 1924 mit ausgezeichneten Noten.  Er legte im Guiyuan-Tempel  (归元寺) in Wuhan  (武汉) das Mönchsgelübde ab und wenig später -  im Mai 1924 - wurde er in den Huishan-Tempel (会善寺) geschickt.  In diesem Nebentempel des Shaolin-Klosters übernahm er  nach kurzer Zeit die Funktion als  Leister der Besucherhalle bzw.  "Gästebetreuer"  (知客) und Mönchsarzt (僧医), dann als Klostervorsteher bzw. -aufseher (监院).

      1927 kehrte er in den Shaolin-Tempel zurück und wurde  dort in den gleichen Ämtern eingesetzt. In diesem Jahr befand sich der Tempel schon in einem Strudel von Ereignissen, der wenig später fast zu seinem kompletten Untergang geführt hätte und somit auch Dechans Leben stark beeinflusste, es jedoch nicht aus der Bahn werfen konnte.




      Kriegswirren

      China und in besonderem Maß die Provinz Henan waren zu jener Zeit von bürgerkriegs-ähnlichen Verhältnissen und den Kämpfen diverser Kriegsherren bestimmt. Nach dem Zusammenbruch des letzten Kaiserreichs Chinas hatten sich verschiedene militärische Gruppen um Generäle der ehemaligen nordchinesischen Peking-Armee gebildet, die sogenannten „Nördlichen Militaristen“. Sie kämpften um die Vormacht im Land, wobei  die errungenen Siege jeweils nur von kurzer Dauer waren und für keinerlei Stabilität sorgten. Fraktionen und Bündnisse der beteiligten Gruppen wechselten häufig und unvorhersehbar.  Um den permanenten Kriegswirren ein Ende zu setzen und das Land wieder zu einen, begann 1926 Chiang Kai-shek (蔣介石 Jiǎng Jièshí) mit seiner Armee der Guomindang (国民党), den sogenannten „Nordfeldzug“ (北伐) gegen diese Kriegsfürsten. In dessen Verlauf beteiligte sich auch eine Schutztruppe des Shaolin-Tempels an den Kriegshandlungen,- jedoch auf der gegnerischen Seite. Am 6. März 1928 wurde der Shaolin-Tempel von auf Seiten der Guomindang kämpfenden Truppen unter Führung des Leutnants Shi Yousan (石友三) in Brand gesetzt. Der Brand soll über 40 Tage lang angedauert haben, er zerstörte einen Großteil des Klosters und verwandelte viele seiner historischen Kulturgüter in Asche.
      Nach den Angaben des Shaolin-Mönchs Shi Deqian (释德浅) aus dem Jahr 1984, soll Shi Dechan in dieser Situation nicht wie viele andere Mönche die Flucht ergriffen, sondern die Kampfmönche des Tempels versammelt haben, um mit ihnen den Besitz des Klosters zu schützen und gegen die Guomindang-Truppen zu kämpfen. Anderen Quellen zufolge gab es aufgrund der Übermacht der Guomindang-Truppen keine Kampfhandlungen seitens der Shaolinmönche. Gleich ob er anfangs den Tempel gegen die Truppen Shi Yousans verteidigte oder nicht, letztendlich musste Shi Dechan mit den anderen Mönchen in die umliegenden Berge flüchten, wo sie sich eine Weile versteckt hielten.  
      Als gesichert gilt, dass es Shi Dechan und auch anderen Mönchen gelang, im Verlauf der Besetzung und Brandschatzung des Klosters, unter Einsatz ihres Lebens verschiedene Bücher und Dokumente von historischem Wert (unter anderem Teile des buddhistischen Kanons und des Shaolin-Faustkampf-Kompendiums)  zu bergen. Nachdem die Truppen abgezogen waren, kehrten sie in den Tempel zurück und begannen mit den Aufräumarbeiten. Ab dieser Zeit bis zur Kulturrevolution sollen im Shaolin-Tempel nur noch ca. 30 Mönche gelebt haben.

       2. Shi Xingci (links), Shi Dechan (Mitte), Shi Suxi (rechts), Shi Yongwu (oben)




      Räuberbanden, Epidemien und Armut

      1929 brachte Dechan die Bücher und Dokumente, die er an einem geheimen Ort verwahrt hatte, zurück in den Tempel. Er reiste zu verschiedenen Tempeln in Henan wie Fengxue-Tempel (风穴寺) und Qianming-Tempel (乾明寺), um dort seine buddhistischen Studien zu vertiefen und mit seinen medizinischen Kennnissen zu helfen. Dabei kam er durch vier Orte, in denen die Bewohner an den Rand ihrer Überlebensfähigkeit gelangt waren. Als Ursache nannten sie die „Drei großen Übel“, die nacheinander aufgetreten waren: eine Epidemie, die „Rotbärte“ und die „Schwarzbärte“. Mit Letzteren waren zwei Räuberbanden gemeint, die nacheinander über die Dörfer hergefallen waren. Die politische Unsicherheit und die Kriegswirren hatten nämlich  auch die Ausbreitung und Macht der lokalen Räuberbanden verstärkt - besonders in den Provinzen Henan und Shaanxi, die schon von alters her für ihre „Räubernester“ bekannt waren. Diese Banden beteiligten sich ausgiebig an den Kämpfen der Armeen, mal miteinander, mal gegeneinander, und schlossen Allianzen mal mit diesen, mal mit jenen Kriegsherren. Zeitweise arbeiteten sie dann wieder „auf eigene Rechnung“. Dies beinhaltete oft Geiselnahmen: gegen Geldzahlung wurden die Geiseln eventuell wieder frei gelassen, bei ausbleibender Zahlung wurden sie ermordet oder man ließ sie verhungern. Es wird erzählt, dass Dechan mit solch einer Situation konfrontiert wurde: als man ihm von einer Geißelnahme in der Region berichtete, habe er sich, ohne Rücksicht auf seine eigenen Sicherheit,  in den „Tigerrachen“ begeben und den Führer der Räuberbande getroffen. Es heißt, er habe ihm die buddhistische Karma-Lehre erläutert (nach der man stets nur die Frucht seiner Handlungen erntet) und erwirkt, dass zehn Geiseln ohne Geldzahlung freigelassen wurden.

        
      1930 konnte Shi Dechan im Verlauf einer Epidemie sein medizinisches Können unter Beweis stellen. Diese Epidemie wies eine besonders hohe Todesrate auf, da die an ihr Erkrankten nicht mehr schlucken und somit keine Medikamente einnehmen konnten. Der Meister erfuhr von einer Familie, in der innerhalb von 20 Stunden sieben Familienmitglieder gestorben waren, die keiner beerdigen konnte, weil alle erkrankt und schon zu stark geschwächt waren. Von dem Leid der Familie getroffen, fand er keine Ruhe. Er überlegte, arbeitete und experimentierte so lange, bis er eine Medizin entwickelt hatte, die den Kranken die Fähigkeit zu Schlucken wieder gab und ihnen somit eine Heilung ermöglichte. Auf diese Weise konnte er Hunderten von Menschen das Leben retten.


      3. Shi Dechan, Shi Yongchuan


      Shi Dechan hatte ein großes Herz für die Armen. Für seine medizinische Behandlung nahm er von denen, die genug Geld hatten eine Bezahlung an, die Mittellosen bezahlten nichts. Für die Armen war auch seine Hilfe bei Familienfeiern wie Hochzeiten, Trauerfeiern etc. unentgeltlich - er erledigte für sie Behördengänge, besorgte die nötigen Papiere u.v.m. Als in einer armen Familie der Vater zur Armee eingezogen werden sollte, kaufte Dechan ihn mit seinem eigenen Geld frei, da die Familie ohne das männliche Oberhaupt unweigerlich in noch größere Not geraten wäre.




      Hoher Besuch und Aufbaumaßnahmen

      1936 empfingen Shi Dechan und die anderen Mönche des Shaolin-Tempels einen hohen Gast: General Chiang Kai-shek (蔣介石), den Führer der Guomindang und Gegener Mao Zedongs im damaligen Bürgerkrieg. Als der General am 31. Oktober seinen Geburtstag in der nahegelegenen Stadt Luoyang feierte, entschloss er sich, mit großer Equipage durch den Songshan zu reisen und den Shaolin-Tempel sowie andere Sehenswürdigkeiten der Region zu besuchen. Die Mönche führten ihn durch den Tempel und gaben ihm zu Ehren eine Vorstellung ihrer Kampfkunst, von der er nicht wenig beeindruckt gewesen sein soll. Als er das Ausmaß der Zerstörung des Feuers von 1928 sah, schimpfte er über Shi Yousan „Shi Yousan war schlimm genug“. Es heißt, dass später auf Anordnung von Chiang Kai-Shek hin die Militärtruppe von Shi Yousan eine Grube ausheben mußte, in der ihr Führer „lebendig begraben“ wurde,- wahrscheinlich bezieht sich  dies auf die Ermordung Shi Yousans 1940 (wegen Kollaboration mit den Japanern).
      Jahrzehnte später berichtete der Archäologe Wen Yucheng (温玉成) Journalisten eine lustige Begebenheit: Dechan hatte ihm erzählt, dass Chiang Kai-shek sich bei seinem Besuch ziemlich lange im Shaolin-Tempel aufhielt und da man kein Mittagessen für den General eingeplant hatte, schenkte ihm ein Leibwächter einen Becher „Schaum-Schaum“ zum Trinken ein. Wen Yucheng bemerkte den Jounalisten gegenüber lachend, daß  Dechan mit „Schaum-Schaum“ wohl Milch meinte.  (Offenbar kannte Shi Dechan noch keine Milch und konnte sie nur umschreiben). Der Archäologe berichtete weiter, daß Qiang Kai-shek betroffen davon war, im Tempel solch eine Ödnis vorzufinden und daß die  Mönche zu arm waren, sich Mönchskleidung zu leisten. 
      Nach einem Bericht, der den Angaben des damaligen Kreisleiters Mao Rucai (毛汝采) folgt, der Chiang Kai-Shek auf dieser Reise begleitete, wurde den Shaolin-Mönchen ein Geldgeschenk von 1000 Yuan überreicht. Später ließ General Chiang dem Tempel eine finanzielle Unterstützung für den Wiederaufbau zukommen.

          
       4. Shi Dechan (links)

      In der ersten Hälfte der 40er Jahre kümmerte sich Shi Dechan  mit aller Kraft um die Wiederbelebung und Sicherung der Shaolin Kampfkunst. In dieser kritischen Zeit hatten viele Angehörige des Shaolin-Ordens den Tempel verlassen und waren in den Laienstand gewechselt. Die Vertreter der Shaolin-Kampfkunst waren in alle Winde zerstreut und zu wenige waren da, um diese große Kampfkunst in ausreichendem Maß an die nächsten Generationen überliefern zu können. Gemeinsam mit dem ebenfalls in der Kampfkunst bewanderten Shaolin-Mönch Zhenxu (贞绪) holte Dechan Wu Shanlin (吴山林), den Sohn des für seine Kampfkunst berühmten ehemaligen Shaolin-Mönchs Jiqin (寂勤) als Lehrkraft in den Tempel. Es gelang ihnen, ca. 40 weitere ehemalige Shaolin-Mönche, die in den Laienstand gewechselt waren, zurück in den Tempel zu holen, unter anderem die Meister Degen (德根) und Xingzhang (行章). Diese Gruppe trainierte unter der Leitung Wu Shanlins, der jedoch nach 3 Jahren den Tempel wieder verließ.
      In dieser Zeit sammelte und ordnete Dechan zusammen mit anderen Mönchen des Klosters auch das „Kompendium des Shaolin-Faustkampfs“ (少林拳谱), ebenso viele handschriftliche Aufzeichnungen von Shaolin-Mönchen und weitere Unterlagen zur Shaolin-Kampfkunst. Fast alles, was in dieser Zeit an Materialien zusammengetragen wurde, soll bis heute erhalten sein.

       Aufgrund der schlechten Bildungssituation und zur Förderung der Kultur  gründete Shi Dechan zusammen mit anderen Shaolin-Mönchen (Zhenxu 贞绪,Xingzheng 行正, Suxi 素喜,Sudian 素典  u.a.) 1941 die Shaolin-Mittelschule. Er übernahm ihre Leitung und fungierte auch als Schularzt.

      Im Hintergrund zog derweil in Henan eine Hungersnot auf. Durch Missernten in den Jahren 1940/41 wurden die Nahrungsmittelreserven aufgebraucht, während die Regierung dem Volk unvermindert Getreide als Steuer abpresste. Im Winter 1942 war die Hungersnot nicht mehr übersehbar, doch effektive Maßnahmen zur Linderung der Hungersnot blieben aus. Im Februar 1943 geriet Chiang Kai-shek über die von der Hungernot berichtende chinesische Zeitung „Da  Gongbao“ in Wut und ordnete eine dreitägige Einstellung ihrer Veröffentlichung an. Der Zeitungsbericht schilderte die verzweifelte Lage der Menschen, die Wurzeln, Baumblätter, Ulmenrinde, zermörsertes Feuerholz aßen und Vogelkot aufsammelten, um ihn nach Samenkörnern zu durchsuchen, auch wurde über Fälle von Kannibalismus berichtet. Der bis 1943/44 andauernden Hungernot fielen schätzungsweise drei bis fünf Millionen Menschen zum Opfer.
      In den offiziellen Chroniken des Shaolin-Tempels gibt es zu diesen Jahren, in denen der Tempel noch 2800 mu Ackerland besaß, keine Angaben, und so ist es unklar in welchem Ausmaß die Mönche des Tempels von der Hungersnot betroffen waren. Es ist jedoch  wahrscheinlich, dass aufgrund dieser allgemeinen Situation dem Wiederaufbau des Shaolin-Tempels und seiner Sangha recht enge Grenzen gesetzt waren.


      1947 kam die Befreiungsarmee (解放大军) auf ihrem Zug in Richtung Süden durch Dengfeng, die einige Kilometer vom Shaolin-Tempel entfernte Kreisstadt. Shi Dechan suchte selbst einige Kampfmönche aus - unter anderen Xingfang (行方), Suxiang (素祥), Sulong (素龙) - die er beauftragte, sich der Befreiungsarmee anzuschließen. Er ermahnte sie, für das Vaterland Verdienste zu erwerben,  um dem Tempel Ehre zu machen (sic).




      Kommunismus und Medizin

      Nach der Gründung der Volksrepublik China (1949) wurde  Dechan Mitglied im Kreisverband für Gesundheitspflege(县卫生协会委员).
      Während die kommunistische Regierung in dieser Zeit offiziell noch Religionsfreiheit proklamierte, traf doch eines der Ziele, die sie verfolgte, die Klöster mit besonderer Härte: die Enteignung der Großgrundbesitzer.
      Die große Landreform war 1953 in den meisten Gegenden Chinas abgeschlossen. Viele der buddhistischen Tempel verloren einen Großteil ihres Landbesitzes und damit eine wichtige Einnahmequelle. Durch die Verarmung der Großgrundbesitzer und des Adels und aufgrund der allgemeinen Säkularisierung des Volkes blieben ebenfalls Spenden sowie Gebühren für Totenzeremonien und andere religiöse Dienstleistungen aus. Mönche und Nonnen mußten sich neue Erwerbsquellen suchen, um ihr Überleben zu sichern, was ihnen oft nicht gelang. Wenige Jahre später – Mao Zedong beschloss 1958 den „Großen Sprung nach vorn“ - herrschten in China Hungersnöte (1959 und 1960). Sie waren vornehmlich durch politische Fehlplanung entstanden, und nach konservativen (!) Schätzungen fielen ihnen ca. 25 Mio. Menschen zum Opfer. 
      Gerade in dieser Zeit erwiesen sich die medizinischen Kenntnisse Shi Dechans als außerordentlich hilfreich: zum einen sicherten sie sein eigenes Überleben und gaben ihm die Möglichkeit, auch andere Mönche zu unterstützen, zum anderen half sein Wissen und Können der Bevölkerung in einer Zeit gravierender medizinischer Unterversorgung. Außerdem hatte er damit dem Vorwurf der Kommunisten, die Mönche seien nur unnütze Faulpelze und Schmarotzer, etwas entgegenzusetzen. Er sammelte Heilpflanzen in den umliegenden Bergen und verarbeitete sie zu Pillen, Elixieren, Pudern, Pasten, Einreibungsmitteln, Heiltee-Mischungen u.v.m. Viele der geheimen Shaolin-Rezepturen waren ihm von den Meistern Suguang und Zhenjun übermittelt worden. Von Shi Zhenjun z.B. das Shaolin-Pflaster „Rückkehr des Frühlings“ zur Behandlung puritider Wunden, das von Shi Dechan in über 1000 Fällen erprobt wurde, oder das „Fünf-Feigen- Pflaster“ (wu zhi gao) zur Behandlung von Osteomyelitis. Das „Shaolin-Puder der acht Unsterblichen“ des Meisters Shi Suguang für die Behandlung von durch Fallen und Schläge entstandene Verletzungen wie auch von Knochenbrüchen und Sehnenverletzungen, wurde von Dechan in ca. 100 Fällen angewandt. Das Rezept für das Elixier „Fliegender Drache raubt das Leben“ (mit Affenknochen!), von Fuyu (福裕), dem berühmten Shaolin-Abt der Song-Dynastie entwickelt und nur im Geheimen weitergegeben,  wurde von Dechan in ca. 3000 Fällen eingesetzt. Doch Meister Dechan entwickelte und erprobte – wie schon bekannt - auch seine eigenen Rezepturen, wie z.B. das „Fünf-Schätze-Elixier“ (五宝丹)  oder das „Shaolin-Pflaster zur Ausleitung der Gifte“ (少林剔毒膏) u.a. Die Wirksamkeit seiner Heilkunst war weithin bekannt und viele Menschen kamen, um sich von ihm behandeln zu lassen. 1956 schloß er sich dem Ärzteverband des Kreises Dengfeng (登封县医联会) an.

      1962 kam der stellvertretende Kanzler Li Xiannian (李先念副总) zu einer Inspektion in den Shaolin-Tempel, in deren Verlauf er mit Shi Dechan diskutierte. Es heißt, dass er davon dermaßen beeindruckt war, dass er ein Transparent mit einem Lob auf die Shaolin-Kampfkunst beschrieb und es über seinem Bett aufhängte ...

      1965 wurde Shi Dechan die Leitung des Shaolin-Tempels und aller in ihm anfallenden Arbeiten angetragen.
      Zur Zeit der Kulturrevolution, also ab 1966,  lebte er jedoch überwiegend im Daiwang Miao (大王庙), einem kleinen Tempel unweit des Shaolin-Klosters, da das Kloster offiziell geschlossen war. Vorübergehend fand er auch Unterkunft bei Hao Shizhai (郝释斋), dem in dieser Zeit wohl wichtigsten Unterstützer des Shaolin-Klosters und seiner alten Mönche. Dechan praktizierte weiter die Shaolin-Medizin und lehrte sie seinen Schülern. Immer wieder zog er durch die Dörfer der Umgebung, um den Menschen dort mit seiner Heilkunst zu helfen. Seine Behandlungsmethode war einfach und pragmatisch, neben der Verwendung von Heilkräutern gehörten auch Qigong und andere im Shaolin-Tempel praktizierte Übungen zur Gesundheitspflege dazu.




      Der japanische Freund

      1976 begann in China mit dem Tod Mao Zedongs (毛泽东) und der Regierungsübernahme durch  Deng Jiaoping  (邓小平) im Folgejahr die sogenannte „Reformzeit“ (改革开放). Sie brachte auch eine Wiederbelebung der Klöster mit sich. Mönche kehrten zum Shaolin-Tempel zurück, begannen – nicht zuletzt auch zum Broterweb - wieder offiziell Kampfkunst zu unterrichten. Auch Shi Dechan zog wieder in den Tempel, wo sein Wissen und Können dringend gebraucht wurde. Der Wiederaufbau begann.

      Der Shaolin-Tempels wurde 1979 offiziell wiedereröffnet. Im April des gleichen Jahres reiste der Japaner Zong Daochen (宗 道臣, jap.: Doshin So)  mit einer Gruppe von 300 Delegierten, in der sich hochrangige Vertreter der Wirtschaft befanden, nach China und besuchte den Shaolin-Tempel, wo er von Shi Dechan herzlich empfangen wurde. Dieser Besuch erregte großes Aufsehen, da aufgrund der traumatischen Erfahrungen des vorangegangenen Krieges und der unterschiedlichen „politischen Lager“ freundschaftliche Besuche zwischen Chinesen und Japanern – besonders mit einem derartigen wirtschaftlichen Potential - noch sehr selten waren. 
      Zhong Daochen (1911-1980) hatte seinen eigenen Angaben zufolge Mitte der 30er Jahre von einem Shaolin-Meister die Kampfkunst des Tempels erlernt. Nach Japan zurückgekehrt, gründete er 1947 eine eigene Organisation, durch die er nicht nur die Shaolin-Kampfkunst, sondern auch die entsprechenden ethischen Wertvorstellungen in Japan verbreiten wollte. Die Japanische Union für den Faustkampf des Shaolin Tempels (日本 少林寺 拳法 联盟 / shorinji kempo) entwickelte sich sehr gut und wuchs zu einer großen, einflußreichen Organisation heran.
      1978 kontaktierte Zong Daochen – mittlerweile eine in der japanischen Gesellschaft hoch angesehene Persönlichkeit - erstmals die chinesische Regierung und konfrontierte sie mit dem Wunsch, dem Shaolin-Tempel einen Besuch abzustatten bzw. eine Pilgerreise zu ihm zu unternehmen. Glücklicherweise war dies gerade zu Beginn des Kurswechsels in der chinesischen Politik, der eine vorsichtige Öffnung und Liberalisierung mit sich brachte. Ein Jahr später gab die chinesische Regierung - wenn auch nur widerstrebend - seinem Wunsch nach, und Zong Daochen durfte offiziell den Shaolin-Tempel besuchen. Für die Mönche des Shaolin-Tempels bedeutete dieser Besuch eine erhebliche gesellschaftliche Aufwertung,- nach der Kulturrevolution war dies zudem das erste Mal, dass ihnen offiziell gestattet wurde, wieder Mönchsroben zu tragen.

      5. Zong Daochen und Shi Dechan

       Zong Daochen wiederholte seinen Besuch im folgenden Jahr, einige Monate danach verstarb er. Zuvor hatte er seine Tochter Zong Yougui (宗, 由贵) beauftragt, Shi Dechan wie einen Adoptivater anzusehen und den Shaolin-Tempel zu ehren. So setzte diese das Werk ihres Vaters fort, besuchte und unterstützte den Shaolin-Tempel. Noch heute pflegen der Shaolin-Tempel und die Shorinji-Kempo-Organisation eine freundschaftliche Verbindung.
       
      6.  Shi Dechan begrüßt Zong Yougui



      Pflichten, Ämter und Ehren

      Auch mit anderen ausländischen Organisationen pflegte Shi Dechan den Kontakt, so zur taiwanesischen Vereinigung der Damo-Chan-Schule, zu Organisationen in der Schweiz, in Singapur, in Thailand, im Iran u.a. Er empfing viele Besucher und nahm sich Zeit für ihre Belange.
      Ungeachtet seines Alters und der zunehmenden Schwäche seines Körpers übernahm er zum Wohl des Shaolin-Tempel eine Anzahl wichtiger offizieller Ämter:
      Im November 1981 wurde Shi Dechan Vorstandsmitglied in der Buddhistischen Vereinigung von China (中国佛教协会). Im Frühjahr 1982 gründete er ein Team für die Sammlung und den Vergleich aller Techniken der Shaolin Kampfkunst (少林武术整理组) und übernahm dessen Leitung. Im selben Jahr wurde er Mitglied des ständigen Komitees der Politischen Fakultativkonferenz des Chinesischen Volkes in Dengfeng (登封政协) und am Ende des Jahres Vizepräsident der Buddhistischen Vereinigung der Provinz Henan (河南省佛教协会). 1984 wählte man ihn zum Präsidenten der Buddhistischen Vereinigung des Stadtbezirks Zhengzhou der Provinz Henan (郑州市佛协会).
      Nachdem der Shaolin-Tempel 300 Jahre lang keinen geweihten Abt gehabt hatte, erhielt 1986 der hochbetagte Mönch Shi Xingzheng - wie Dechan eine der wenigen herausragenden Persönlichkeiten des Shaolin-Tempels jener Zeit - die offizielle Weihe zum 29. Abt des Shaolin-Tempels, Shi Dechan wurde zum Ehrenabt ernannt. Leider verstarb Shi Xingzheng schon ein knappes Jahr später, ohne seine Nachfolge eindeutig geregelt zu haben, woraufhin es zu einigen Disharmonien im Tempel kam.
      1987 wurde Shi Dechan erneut Vizepräsident der Buddhistischen Vereinigung der Provinz Henan.


      7. Shi Xingci, Shi Dechan 








        




        

       Die letzten Jahre

      Ab 1985 verschlechterte sich der gesundheitlicher Zustand des Meisters zunehmend. Schon seit langem litt er unter einer schmerzhaften Erkankung beider Knie, doch nun erfasste langam eine Lähmung seine unteren Gliedmaßen. Durch die starke Einbuße der Beweglichkeit und zunehmende Schwäche wurde er mehr und mehr an Rollstuhl und Bett gebunden und pflegebedürftig. Dennoch gelang es - aufgrund der aufopferungsvollen Pflege seiner Schüler und auch staatlicher Fürsorge - seinen Zustand über viele Jahre hinweg leidlich stabil zu halten. Im November 1992 mußte er jedoch in das Volkskrankenhaus der Kreisstadt gebracht werden. Nach kurzer Zeit kam er wieder in den Tempel, wo er in den letzten Wochen seines Lebens vornehmlich von Meister Yongji (永继) betreut wurde. Er verstarb am 26. Januar 1993 frühmorgens in seinem kleinen Zimmer.

      8. Shi Dechan, Shi Yongwu





       
                                        







      Shi Dechan hatte sein ganzes Leben dem Buddhismus, der Kampfkunst und der buddhistischen Medizin gewidmet. Schon in seinen frühen Jahren hatte er eingehend  die Surangama-Sutra und die "Plattform-Sutra des sechsten Patriarchen" studiert und war zu der Einsicht gekommen, daß die Lehre des Buddha sich nicht außerhalb der Menschenwelt befindet resp. verwirklicht, sondern mittendrin und daß wer ein guter Mönch werden will, zuerst ein guter Mensch sein muß. Seinen Schülern lehrte er, unablässig ihre Vervollkommnung in den drei wesentlichen Disziplinen anzustreben: der Befolgung der Mönchsregeln, der Meditation und der Entwicklung von Weisheit (戒 定 慧). Ein wesentliches Anliegen war ihm auch, die Philosophie und Praxis der Einheit von Chan und Faustkampf (禅拳合一) zu stärken und zu verbreiten. Auf dieser Basis bildete er eine große Anzahl von Schülern in buddhistischer Lehre, Shaolin-Kampfkunst und Shaolin-Medizin aus. 
      Unter seinen direkten Schülern, denen er das Dharma übertrug, sind die Chanmeister Xingming (行明) und der früh verstorbene Xingxiang (行香) wie auch der jetzige „Küchenchef“ des Shaolin-Tempels, Dharmameister Xingci (行慈) zu nennen. Ein herausragender Schüler der Medizin Shi Dechans war Zhang Qinghe (張慶賀), der später einer der Meister von Shi Dejian (德健) wurde und mittlerweile leider schon verstorben ist. Bis heute preist Shi Dejian – nun selbst ein international bekannter und dabei sehr medienwirksamer Experte für Chan, Kampfkunst und Medizin - Shi Dechan als den Meister mit dem tiefsten Verständnis für Shaolin-Medizin. Es ist jedoch ein Schüler aus dem Laienstand, der heute als einer der Hauptrepräsentanten von Dechans Shaolin-Medizin gilt: Chen Shichao (世朝), ein bis heute praktizierender Arzt der Traditionellen Chinesischen Medizin, der unweit des Shaolin-Tempels in Sanjiadian eine kleine Praxis unterhält. "Doktor Chen" lernte von Shi Dechan auch Kungfu und diverse traditionelle Gesundheitsübungen, wie das "Baduanjin" (八段锦), das er heute noch ausgewählten kleinen Gruppen unterrichtet.
       
      Unter Shi Dechans Schülern der darauffolgenden Generation, den sogenannten "Enkelschülern" (徒孙) sind die Meister Yongcheng (永成), Yongchuan (永传) und Yongwu (永悟) zu nennen. Shi Yongchuan absolvierte ein Universitätsstudium (Buddhismus) und leitet seit 2001 den Shaolin-Tempel Deutschland in Berlin, während Shi Yongwu, eigentlich mehr ein Schüler von Shi Xingci, als Abt eines Klosters und in verschiedenen weiteren Ämtern seiner Mönchslaufbahn in China nachgeht. 


      9. Shi Dechans Stupa im Pagodenwald





      Fußnoten
      *1 Während die meisten Biografien Dechans eine Kindheit in Armut schildern, existieren auch Angaben, denen zufolge Dechan keineswegs in Armut und Not aufwuchs, sondern in guten Verhältnissen. .
      *2 Beide Zitate aus dem Artikel „Gut für den Einzelnen, gut fürs Vaterland“ von Tiziano Terzani in „Der Spiegel“ 26/1983, aus dem Internet: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14019055.html, abgerufen am 4.5.2010

      Fotografien

      *1. Shi Dechan 释德禅
      *2. Shi Dechan, Shi Suxi, Shi Xingci, Shi Yongwu 释德禅,释素喜,释行慈,释永悟
      *3. Shi Dechan mit Shi Yongchuan 释德禅,释永传
      *4. Shi Dechan und (?)  释德禅
      *5. Shi Dechan, Zong Daochen 释德禅,   宗 道臣
      *6. Shi Dechan, Zong Yougui 释德禅,宗由贵
      *7. Shi Dechan, Shi Xingci 释德禅,释行慈
      *8. Shi Dechan, Shi Yongwu 释德禅,释永悟
      *9 . Shi Dechans Stupa 释德禅塔

      Fotos 1,2, 7,8 copyright by zenkunedo / Shi Yongwu
      download von http://www.zenkunedo.com/2zz.htm
      Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Shi Yongwu (谢谢!)
      Foto 3 copyright by Shi Yongchuan
      Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Shi Yongchuan
      Foto 4 copyright by Oldman
      Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Oldman
      Foto 6 copyright unknown, download von kongfusupply.nl
      Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von kungfusupply.nl
      Foto 9 copyright yss


      Für ihr Vertrauen und ihre immer wieder geduldige Beantwortung meiner Fragen möchte ich besonders Shi Yongchuan und Shi Xingci danken !

      Die Inhalte dieses Artikels wurden von mir nach bestem Wissen und Gewissen auf ihren Wahrheitsgehalt hin geprüft und erstellt. Zuverlässige Informationen zu erhalten und zu prüfen, erwies sich als sehr schwer; deshalb mussten zahlreiche nachträgliche Korrekturen erfolgen. Quellenangaben sind auf Anfrage hin erhältlich.
      21./22.05.2010 - yss
      Letzte Änderung: 02.12.2014
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