Der Abt des Shaolin-Tempels



                                         

SHI YONGXIN 释永信









1965  
Geburt in Yingshang (颖上), Provinz Anhui (安徽省).
Familienname: Liu, Vorname: Yingcheng (俗姓刘,名应成).          


1981    
Aufnahme in den Shaolin-Tempel, Weihe zum Novizen. Er wird Schüler des Senior-Mönchs Shi Xingzheng (释行正), einem der wenigen Mönche, die im Tempel auch während der harten Jahre vor dessen Wiedereröffnung 1979 gelebt und sich für den Schutz und die Bewahrung der Shaolinkultur eingesetzt hatten.
Shi Yongxin ist so fleißig und strebsam, daß er bald seine buddhistischen Studien außerhalb des Shaolin-Tempels vertiefen kann. So verbringt er Studienzeiten auf dem Yunju-Berg (云居山) in der Provinz Jiangxi, im Jiuhua-Gebirge (九华山) in der Provinz Anhui und im Guangji-Tempel (广济寺) in Beijing, wo sich auch der Sitz der  Buddhistischen Vereinigung Chinas (中国佛教协会) befindet.


1984
Rückkehr in den Shaolin-Tempel.
September  
Vollordination im Puzhao-Tempel, Provinz Jiangxi (江西普照寺).
Gründungsmitglied der Vereinigung für das demokratische Management des Shaolin-Klosters (少林寺院民主管理委员会), dem Selbstverwaltungskomitee des Tempels.


1986   
Gründung und Übernahme des Amtes als Vizepräsident des Instituts für die Erforschung des Shaolin-Faustkampfes (少林寺拳法研究会).
Dezember
Nachdem der Shaolin-Tempel mehr als 300 Jahre lang keinen offiziellen Abt hatte, wird Shi Xingzheng zum 29. Abt des Tempels geweiht.


1987   
Gründung und Übernahme der Leitung des Shaolin-Wushu-Teams (林武术队), dem Vorläufer der weltbekannten Shaolin-Kampfmönch-Truppe (少林武僧团).
August
Hinscheiden des Abtes Shi Xingzheng; er hat offiziell keinen Nachfolger benannt. Shi Yongxin sieht sich als Nachfolger des Abtes und beruft sich auf ein Gespräch unter vier Augen mit dem schwerkranken Abt, in dessen Verlauf dieser ihm das Amt übergeben habe (传衣钵), was jedoch von von vielen  Mönchen des Klosters nicht grundlos angezweifelt wird. Vorerst wird die Führungsspitze des Tempels von  drei  Mitgliedern des Shaolin-Tempel-Selbstverwaltungskomitees (少林寺管理委员会) gebildet. Shi Yongxin gehört zu dieser Spitze und widmet sich tatkräftig der vielen ihn erwartenden Aufgaben: Leitung der Wiederaufbau-Arbeiten (Dharma-Halle, Glocken- und Trommelturm), Besucherempfang, Beschaffung von Geld- und anderen Mitteln, Verhandlungen für den Tempel u.v.m.  
Oktober   
Shi Yongxin wird in den Vorstand der Buddhistischen Vereinigung von Henan (河南省佛教协会) gewählt.


1988
Februar  
Gründung des Rot-Kreuz-Vereins des Shaolin-Tempels (少林寺红十字会).
Oktober  
Gründung der Shaolin-Gesellschaft für die Erforschung von Kalligraphie und Kunst (少林书画研究院).


1993
März       
Wahl zum Mitglied der Politischen Konsultativkonferenz der Provinz Henan (河南省政协委员).
Mai
Gründung der Chinesischen Organisation für Zendichtung (中华禅诗研究会)    .
Juni
Die Henan Buddhism Culture Shaolin Kongfu Delegation (林寺佛教文化团) - eine Delegation von 33 Mitgiedern verschiedener Tempel unter Führung von Shi Yong Xin – wird von der Hochschule der Chinesischen Kultur Taiwans (台湾中国文化大学) zum kulturellen Austausch nach Taiwan eingeladen. Shi Yongxin trifft dort unter anderen die bedeutendsten buddhistischen Lehrmeister Taiwans, die Meister Wuming, Jingxin und Shengyan. Nach mehr als 40 Jahren ist dies der erste offizielle Kontakt zwischen den Buddhisten der Republik Taiwan und der Volkrepublik China. Das Treffen findet große Resonanz in der in- und ausländischen Presse und ist ein Auftakt für zukünftige freundschaftliche Beziehungen.
Oktober
Wahl in den Vorstand der Buddhistischen Vereinigung von China (中国佛教协会).


1994
Shi Yongxin leitet mehrere Maßnahmen gegen den Mißbrauch des Namens Shaolin ein. Er führt erfolgreich einen Prozess gegen die Nutzung des Namens „Shaolin“ durch einen Wurstfabrikanten (!). Bei der chinesischen Hauptverwaltung für Industrie und Handel beantragt er die Registrierung der Namen „Shaolin“ und „Shaolin Tempel“ als Warenzeichen. Er gründet die Firma Henan Shaolin Business Development Co. Ltd. (河南少林實業發展公司) und verwaltet als Rechtsperson das geistige Eigentum von Shaolin.
Februar
Gründung und Präsidentschaft der Gemeinnützigen Wohltätigkeits-Stiftung des Shaolin-Tempels (少林寺慈善福利基金会).
              
1995
1500-jähriges Jubiläum des Shaolin-Tempels. Shi Yongxin leitet die Organisation und Durchführung der umfangreichen Feierlichkeiten, an denen zahlreiche hochrangige Gäste teilnehmen. Über das historische Ereignis wird ausführlich in den Medien berichtet. Dies ermöglicht dem Tempel eine wirkungsvolle Präsentation und weitere Verbreitung der Shaolin-Kultur im  In- und Ausland.


1996
Januar
Pilgerreise zu den vier bedeutendsten heiligen Orten des Buddhismus: dem Geburtsort des Buddha (Lumbini, Nepal), dem Ort seiner Erleuchtung (Bodh Gaya, Indien), dem Ort seiner ersten Predigt (Sarnath, Indien) und dem Ort seines Eingangs in das Nirvana (Kushinagara, Indien) .
Mai   
Herausgabe des buddhistischen Monatsmagazins Zen-Tautropfen (《禅露》杂志).


1997
Shi Yongxin präsentiert die offizielle Webseite des Shaolin-Tempels, der somit zum ersten buddhistischen Tempel Chinas mit eigener Webseite wird:   „www.shaolin.org.cn“.


1998
März       
Wahl zum Interessenvertreter im 9. Nationalen Volkskongress von China (全国人大代表). 
August  
Wahl zum Präsidenten der Buddhistischen Vereinigung der Provinz Henan (河南省佛教协会).


1999
Gründung des Instituts zur Erforschung der Shaolin-Kultur  (少林文化研究院).
19. und 20. August   
Offizielle Inthronisation Shi Yongxins als 30. Abt des Shaolin-Tempels, nachdem ein Dekret der Buddhistischen Vereinigung Chinas ihn für dieses Amt bestimmt resp. bestätigt hat.
November    
Auf Einladung des Buckingham-Palastes hin reist eine Delegation von Shaolin-Kongfu-Mönchen unter Führung von Shi Yongxin nach England und wird von Queen Elisabeth II. empfangen.  


2000
April
Der Vorsitzende des Nationalen Volkskongresses von China, Li Peng (李鹏委员长), besucht mit seiner Frau den Shaolin-Tempel und wird von Shi Yongxin empfangen.


2001
Erste Bemühungen des Shaolin-Tempels um die Anerkennung als Kulturerbe der Menschheit (人类文化遗产). Shi Yongxin setzt mit staatlicher Unterstützung den Abriß des „Shaolin-Village“ durch, einer Ansammlung von Kampfkunstschulen und kommerziellen Einrichtungen, die sich dicht um den Tempel herum niedergelassen hatten. Als Entschädigung werden den Eignern Grundstücke in der nahen Stadt Dengfeng angeboten.
9. Juli
Reise nach Deutschland, Treffen mit dem damaligen Finanzminister Eichel zu einem Gespräch.  
 27. Juli
Der Abt leitet die Eröffnungszeremonie des Shaolin-Tempels Deutschland, zu dessen Aufbau er den vollordinierten Mönch Yongchuan (释永传) und drei Kampfmönche aus dem Muttertempel entsandt hatte.


2002  
April
Gründung des Shaolin Verlags (少林書局).


2003
März
Führung einer Delegation von Shaolin-Kungfu-Mönchen, die als Teil der Entourage von Li Peng (李鹏委员长), dem Vorsitzenden des Nationalen Volkskongresses von China, nach Japan reist und bei den dortigen Feierlichkeiten auftritt.
September
Wahl zum Vize-Präsidenten der Buddhistischen Vereinigung von China (中国佛教协会副会长)
Oktober
Besuch bei dem ehemaligen Präsidenten des Olympischen Komitees, Juan Antonio Samaranch, um mit ihm über die Möglichkeit der Aufnahme chinesischer Kampfkunst (Wushu) als olympische Disziplin zu diskutieren.
15. November
Gründung des Shaolin Charité Kinderheims (少林慈幼院) in Kooperation mit der Wohltätigkeitsgesellschaft der Provinz Henan, mit dem Hauptziel, gesunde Waisenkinder im Alter von 4 bis 14 Jahren aufzuziehen.


2004
In der ersten Jahreshälfte  findet unter Shi Yongxin die größte Renovierungsaktion in der jüngeren Geschichte des Shaolinklosters statt. Mehr als 50 Mio. Yuan werden in die Renovierung der Klosteranlage investiert. Zu den renovierten Gebäuden zählen die Kimnara-Halle, die Halle der sechs Patriarchen, das Warenlager und die Bibliothek.
Wiederinbetriebnahme der 1217 gegründeten Shaolin-Apotheke  (少林藥局) und Gründung der Firma Shaolin Yàojú Co. Ltd.
Februar
Erneuter Besuch der Republik Taiwan und Treffen mit Vertretern buddhistischer Klöster.
März
Einführung des jährlichen Shaolin Temple Day (21. März) durch den US-California State Kongress (Legislature House of California). Auf Einladung von dessen Präsidenten Yu Yinliang hin reist eine 25-köpfige Delegation unter Leitung von Shi Yongxin zur Einführungszeremonie.
6. Juli
Shi Yongxin empfängt den ehemaligen Staatpräsidenten und Parteichef Chinas, Jiang Zemin (江泽民), im Shaolin Tempel.
10. November
Der Abt begleitet mit einer Delegation von Shaolin-Kungfu-Mönchen den Staatspräsidenten der Volksrepublik China Hu Jintao (胡锦涛) bei dessen Staatsbesuch in Brasilien.


2005
Shi Yongxin plant den Aufbau eines großen, neuen Tempels auf den Ruinen des Donglin-Tempels (东林寺), einem Tempel am südwestlichen Rand von Zhengzhou, der Provinzhauptstadt von Henan.
11.Mai
Shi Yongxin trifft Dr. Henry Kissinger, den ehemaligen Außenminister der USA, Friedensnobelpreisträger von 1973 und Chairman der Kissinger Associates, Inc..


2006
6. Januar
Die erste Liste des Immateriellen Kulturerbes der Volksrepublik China (中国国家级非物质文化遗产) wird veröffentlicht. Sie ist das erste chinesische Verzeichnis, in dem 501 Kulturgüter als nationales immaterielles Kulturerbe deklariert und somit unter nationalen Schutz gestellt werden. Shaolin Kongfu wurde in sie aufgenommen.
22. März
Als erstes ausländisches Staatsoberhaupt besucht der russische Staatspräsident Vladimir Putin auf seiner 2tägigen China-Reise den Shaolin-Tempel. Shi Yongxin empfängt ihn mit großen Ehren und erfreut sich an seiner Kenntnis der Shaolin-Kultur. Aus ihrer Begegnung entwickelt sich eine freundschaftliche Verbindung des Tempels zu Rußland, die zu weiterem kulturellem Austausch führt, wie z.B. dem Besuch einer Kampfmönch-Delegation bei Soldaten des Militärmanövers "Friedensmission 2007" in der russischen Stadt Tscheljabinsk im Sommer des folgenden Jahres und der sporadischen Unterstützung einer in Moskau eröffneten Schule für Shaolin-Kongfu durch Kampfmönche aus dem Muttertempel.
9.Juli
Shi Yongxin besucht die Abschlußfeier der Fußball-Weltmeisterschaft in Berlin. Er trifft die Bundeskanzlerin Angela Merkel, den Außenminister Steinmeier und den ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder.
8. August
Shi Yongxin reist nach Australien, wo er den australischen Premierminister John Howard trifft und südlich von Sidney 12 km² Land zur Errichtung eines australischen Shaolin-Kulturzentrums kauft.
18. August
Die United States Sports Academy verleiht Shi Yongxin  die Ehrendoktorwürde („International Philosopher PhD“) für seine Bemühungen, die Shaolin-Kultur zu bewahren und zu verbreiten.
14. November
Einladung zum Global Creative Leadership Summit in New York, U.S.A., einem alljährlichen Treffen ausgewählter Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Religion. Das Thema des Jahres lautet „New Demands of the 21st Century“. Shi Yong Xin hält eine Rede und läßt eine Delegation von Kampfmönchen „Hard-Qigong“ präsentieren.


2007
Shi Yongxin schließt für den Shaolin Tempel  mit der Kreisverwaltung von Jixian in Tianjin einen Vertrag über den Bau eines Nördlichen Shaolin Tempels (盘山北少林寺) ab, dessen Kosten mit 160 Millionen Yuan veranschlagt werden.
April
Teilnahme an den Feierlichkeiten zur Veleihung der 8th Annual Laureus World Sports Awards in Barcelona, Dort trifft Shi Yongxin den spanischen König Juan Carlos, der für ihn ein Ehrenbankett gibt.
9. August
Der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, Jaques Rogge, besucht den Shaolin Tempel.


2008
Abschluß eines Vertrags zwischen dem Shaolin-Tempel und Liu Yuejin, dem Direktor von Kunmings Guandu Distrikt, der für vier lokale Tempel (Guanyin-Tempel, Tuzhu-Tempel, Fading-Tempel und Miaozhan-Tempel) die Übernahme des Betriebsmanagements durch Shaolin-Mönche bestimmt. Als Gegenleistung dazu sollen für die Dauer von 20 Jahren alle Einkünfte der vier Tempel durch Spenden, Tourismus und den Verkauf religiöser Gegenstände dem Shaolin-Tempel zufließen.
12. Mai
Shi Yonxin eröffnet Shaolin – Ort der Freude (少林欢喜地), einen Tourismus-Komplex im Eingangsbereich des Shaolin-Tempels, der aus einem Restaurant, drei kleinen Geschäften für den Verkauf von  Büchern und Souvenirs sowie einem Erholungs- resp. Filmvorführraum besteht. Unter dem gleichen Namen startet er einen Online-Handel mit einer Palette von Shaolin-Produkten.
August
Besuch des Präsidenten von Singapur, S.R. Nathan im Shaolin-Tempel.
Dezember
Shi Yongxin reist mit einer Delegation nach Südafrika, um dort den Nobelpreisträger und ehemaligen Staatspräsidenten von Südafrika, Nelson Mandela, zu treffen.


2009
Februar
Shi Yongxin wird als Ehrengast zum National Prayer Breakfast des US-Kongresses nach Washington eingeladen. Dort hält der neu gewählte US-Präsident Barack Obama eine Rede. Shi Yongxin trifft neben vielen Kongressabgeordneten auch Hillary Clinton.
21. März
Reise nach Los Angeles, Teilname am  jährlichen Shaolin Temple Day.
28. März
Teilnahme am 2. Buddhistischen Weltforum (第二届世界佛教论坛) in Wuxi, Provinz Jiangsu, China.
Mai
Reise mit einer Delegation von 24 Shaolin-Mönchen nach Paris, zur Präsentation der Shaolin-Kultur im Hauptsitz der UNESCO. Die Vorführung ist ein Beitrag zum Schlußprogramm des internationalen Multikulturfestivals der Vereinten Nationen.
November
Zweimal werden auf der  Webseite des Shaolin-Tempels von Hackern schriftliche Angriffe  gegen Shi Yongxin veröffentlicht: er wird unter anderem der persönlichen Ruhm- und Gewinnsucht anklagt. Shi Yonxin reagiert mit Fassung und "Humor": er äußert seine Bewunderung für dieses „Online-Kongfu“ und gibt an, vom Tempel nur eine monatliche Beihilfe von 200 Yuan (ca. 22 Euro) zu erhalten.


2010
April
Reise nach Japan in den Kenchoji-Tempel zur Enthüllung einer Bodhidharma-Statue. Der Kenchoji-Tempel war im 13. und 14. Jahrhundert als Stützpunkt bedeutender chinesischer Missionare, die den Chan-Buddhismus in Japan verbreiteten, von herausragender Bedeutung.
Mai
32 junge Schüler einer von der Singapore Buddhist Federation getragenen Schule besuchen den Shaolin-Tempel und werden von Shi Yongxin herzlich empfangen. Am Ende des Monats kümmert sich der Abt um eine aus Korea angereiste Pilgergruppe von Anhängern der chan-buddhistischen Caodong-Sekte. Der Gruppe gehören 50 Mönche und Nonnen sowie 100 Laienanhänger an.
20. Juli
Shi Yongxin empfängt D.M. Jayaratne, den Premierminister von Sri Lanka und wird von ihm zu der im kommenden Jahr in Sri Lanka stattfindenden Internationalen Buddhistischen Konferenz eingeladen.
1. August
Ein großes Ziel ist erreicht: Der Shaolin-Tempel wird von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannt.
1. September
Shi Yongxin gründet die "Shaolin Europe Association" mit Hauptsitz in Berlin.

   
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Vor mehr als 22 Jahren wurde die Leitung des Shaolin Tempels von dem jungen, zielstrebigen Mönch Shi Yongxin übernommen. Er hat seitdem unermüdlich die Entwicklung des Tempels und der Shaolin-Kultur entsprechend seinen Vorstellungen und im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten vorangetrieben . Unter seiner Führung wurde aus dem einst zum Großteil zerstörten, von nur wenigen  Mönchen bewohnten Kloster ein prosperierender Tempel voll Vitalität, der zu den wohlhabendsten und einflußreichsten buddhistischen Tempeln Chinas zählt und internationale Bekanntheit genießt.


Den Einsatz moderner Mittel wie Handy, Internet, Massenmedien u.v.m. nicht scheuend, bleibt die von ihm geführte Politik doch in wesentlichen Bereichen alten „Prinzipien“ des Shaolin-Tempels treu. So ist die – in den letzten Jahren öfters kritisierte - pragmatische Einstellung zur politischen Führung des Landes und der Ausbau von Macht und Prosperität sowie intern die Beibehaltung alter Machtstrukturen (autokratischer Führungsstil) und Verhaltensregeln tief in der Geschichte des Shaolin-Tempels verankert und wird durchaus als ein Teil der Tradition des Tempels angesehen.


Die nunmehr breite materielle Basis des Tempels läßt Shi Yongxin intensiv zu Wiederbelebung, Pflege und weiterer Erforschung der einstmals fast vergessenen Shaolin-Kultur nutzen, zu der nicht nur die Kampfkunst, sondern - allem voran - der Chan-Buddhismus sowie die traditionelle chinesische Medizin gehören. Im Rahmen des Chan-Buddhismus zählt dazu auch der "Teeweg" und die Kalligraphie. Abgesehen von den allseits bekannten Kampfkunst-Vorführungen finden im Tempel zahlreiche Veranstaltungen statt, die diese anderen Elemente der Shaolin-Kultur zum Thema haben. Seit 2009 traten hier besonders eine sich über mehrere Wochen erstreckende Vortragsreihe bekannter chinesischer Intellektueller, Wissenschaftler und Künstler mit Themen aus den Bereichen Religion, Philosophie, Medizin und Kunst (禅宗中国 少林问禅 百日峰会) hervor sowie die mittlerweile alljährlich stattfindende 49-Tage-Meditation (少林寺戊子年“精进七”法会/禅期) von Chan-Mönchen im Winter,- um hier nur zwei Beispiele zu nennen. 

Selbst ein Freund der Gelehrsamkeit und der Schönen Künste, legt Shi Yongxin  Wert auf eine gute Ausbildung der Shaolin-Mönche. Im Jahr 2010 sollen es mehr als 60 Angehörige des Klosters gewesen sein, die an buddhistischen Schulen und Hochschulen in China wie auch im Ausland studierten oder unterrichteten. Seit Februar 2010 müssen sich die Mönche des Shaolin-Klosters jedes Jahr einer internen mehrtägigen Prüfung unterziehen, die Shaolin-Kungfu, Meditation, Shaolin-Medizin, Gongfu-Cha, Rezitation von Sutren u. a. beinhaltet. Diese Prüfung soll die Mönche auf Schwachstellen ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten hinweisen und sie anspornen, sich intensiver mit allen wesentlichen Komponenenten Shaolin-Kultur zu beschäftigen. Je nach Neigung und/oder Bedarf wird einigen Mönchen des Shaolin-Klosters auch die Möglichkeit gegeben, zurückgezogen in Klausen oder kleinen Tempeln der Umgebung zu leben, um sich ungestörter ihrer Kultivierung widmen zu können.
Die Erforschung und Erprobung der Shaolin-Medizin wird in Kooperation mit Hochschulen und medizinischen Einrichtungen vorangetrieben, z.B mit der Akademie für Naturwissenschaften in Beijing (中国科学院,北京) und der Schule für Traditionelle Chinesische Medizin der Provinz Henan (河南省 中医学院) in Zhengzhou.


Wie alle großen buddhistischen Klöster in China ist auch der Shaolin-Tempel von der  Entwicklung im chinesischen Buddhismus beeinflußt, die im letzten Jahrhundert mit Vordenkern wie Taixu, Yinshun u.a. ihren Beginn nahm, entsprechend der jeweiligen politischen Bedingungen Ablehnung oder Intensivierung erfuhr und sich erst in den letzten Jahren der relativen politischen „Lockerung“ gemäß den polititschen Vorgaben entfalten konnte. Sie macht sich vor allem in einer vermehrten Öffnung gegenüber den Laien hin, einem größeren Bewußtsein für die Stellung und die Rolle des Buddhismus in der Gesellschaft und einem stärkeren Engagement in sozialen Bereichen bemerkbar. (Im kleinen Nachbarland Taiwan ist diese Entwicklung schon zur  vollen Blüte gelangt, dort erlebte der „Auf die Menschenwelt bezogene Buddhismus“ („人生佛教“) des Meisters Yinshun einen enormen Zuspruch und wurde von seinen Anhängern tatkräftig weiterentwickelt.)


Shi Yongxin hat die Herausforderungen seiner Zeit erkannt und auf seine Weise angenommen. In Übereinstimmung mit den Vorstellungen der chinesischen Regierung, die ihrerseits seit einigen Jahren erkannt hat, daß in Zeiten wachsender sozialer Spannung und geistiger Leere der Buddhismus für China von ausgleichender, Frieden stiftender Wirkung (sowohl im In- als auch im Ausland) sein kann, sieht er es als seine Aufgabe an, weltweit den Menschen den Chan-Buddhismus entsprechend seiner Definition näher zu bringen. Dazu  bedient er sich sowohl der herkömmlichen Mittel wie z.B. der Veranstaltung von Lehrgängen, Führungen und Vorträgen für Betriebe, Schulklassen u.ä. und in verhältnismäßig geringem Ausmaß karikativer Tätigkeit (Shaolin Waisenhaus) als auch (für einen buddhistischen Tempel) unorthodoxer Methoden wie der in China so beliebten kulturellen Massenveranstaltungen, Contests, TV-Serien etc.,- in der Hoffnung, auf diesem Weg die Menschen, insbesondere die Jugend Chinas, besser zu erreichen. 
Das gesellschaftliche Engagement schließt jedoch auch einige Elemente aus. Offene Kritik im Bereich der Politik ist von Shi Yongxins Seite nicht zu erwarten, so sehr diese Politik auch buddhischen Prinzipien zuwider laufen mag. Der Umgang mit  in- und ausländischen Politikern  ist überwiegend von einem Pragmatismus geprägt, der  eher in dem Tempel dienlichen machtpolitischen Zielen als in buddhistischer Ethik zu gründen scheint.

 Eine besonders gute Methode zur Verbreitung der Shaolin-Kultur ist für Shi Yongxin offensichtlich die von vielen kritisierte Kommerzialisierung des Shaolin-Tempels. Verstörend mögen manche seiner Bemerkungen wirken, wie "Kommerzialisierung oder Industrialisierung -  gleich welchen Begriff  man benutzt - ist ein Weg, der zu der Wahrheit des Zen führt " (“Commercialization or industrialization, whatever term you use it, is a path leading up to the truth of Zen“)*, doch könnte dies  nicht auch „ein alter Trick“ sein: die Schwächen der Menschen -- materielle Gier, Eitelkeit, Vergnügungssucht u.a. -- zu benutzen, um sie mit dem bekannt zu machen, was sie von ihren Schwächen befreien kann …? Welche tieferen Gründe auch immer Shi Yongxin für die starke Kommerzialisierung des Shaolin-Tempels und seiner Aktivitäten haben mag: für die Meisten liegen sie vorerst noch im Dunkeln (zumindest für jene Menschen, die nicht von vornherein negative Gründe annehmen), für ihn selbst sind sie Motivation genug, um auch in Zukunft die Kommerzialisierung der Shaolin-Kultur zu forcieren. So steht in letzter Zeit - laut der homepage des Shaolin-Tempels  ("Wandering monks to head overseas") - der "Markt in Übersee" an der Spitze von Shi Yongxins Entwicklungsplänen. Richtungsweisend ist in diesem Sinne auch seine Absicht, in unmittelbarer Nähe zum Shaolin-Kloster ein großes Shaolin-Wellness-Zentrum im "Fünf-Stern-Bereich" zu errichten (siehe Artikel "Heitere Heiligkeit" in diesem Blog). 
Die Zukunftspläne Shi Yongxins für den Shaolin-Tempel fügen sich  bestens in die allgemeine chinesische Politik ein, in der sich ebenfalls eine starke Kommerzialisierung der chinesischen Kulturgüter (inklusive der Religion) und die intensive Verbreitung dieser kommerzialisierten Kultur auf internationaler Ebene findet.


Zuletzt sollte (bei der Betrachtung des Shaolin-Tempels und seines Abtes) nicht vergessen werden, daß Shi Yongxin zwar die anspruchsvolle Aufgabe der Führung und offiziellen Repräsentation des Shaolin-Klosters wahrnimmt, des weiteren jedoch jeder Mönch des Klosters mit seinem Denken, Reden und Handeln die Shaolin-Kultur in der Gegenwart (das, was „Shaolin“ wirklich ist) repräsentiert und an seiner Ausformung beteiligt ist. In einem weiteren Sinn gilt dies natürlich auch für jeden ernsthaften Shaolin-Schüler.


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树大招风
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* Zitat Shi Yongxin aus dem Artikel „Commercialism or industrialization is path to truth of Zen”  in “China Economic Net” (source: ShanghaiDaily.com vom 8.1.2009) URL:    abgerufen am 31.05.2009


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Die Inhalte dieses Artikels wurden von mir nach bestem Wissen und Gewissen auf ihren Wahrheitsgehalt hin geprüft und erstellt. Letztendlich geben sie meine Reflektion der Dinge wieder. Quellenangaben sind auf Anfrage hin erhältlich.
10.02.2010 -- yss
Letzte Änderung: 25.03.2011
Text & Fotos: copyright yss