DER SHAOLIN-TEMPEL: UNESCO-WELTKULTURERBE


Eine der wichtigsten Aufgaben der UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization) ist die Bestimmung, der Schutz und der Erhalt kultureller und natürlicher Stätten von herausragendem Wert für die Menschheit. Zu diesem Zweck verabschiedete sie 1972 die Konvention über den Schutz des Weltkultur- und -Naturerbes, die mit 187 Unterzeichnerländern eines der weltweit wichtigsten legalen internationalen Instrumente darstellt. Seit 1997 führt die UNESCO auch eine Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit, zu deren Schutz sie 2003 das Übereinkommen zur Bewahrung des immateriellen Weltkulturerbes verabschiedete. Die Aufnahme in die UNESCO-Listen des Kulturerbes der Menschheit bietet neben einem hohen Prestige vorrangig eine regelmäßige Überwachung des Kulturerbes, Unterstützung hinsichtlich seiner Konservierung und seines Managements, Personalschulung und bei Bedarf auch finanzielle Mittel. Der Schutz der Stätte bleibt in der Verantwortung seines Heimatlandes, das dafür auch einen angemessenen rechtlichen und regulativen Rahmen zu bieten hat und in regelmäßigen Abständen der UNESCO Bericht über den Zustand der Stätte ablegen muss.

Shaolin-Mönche &  Mona Lisa  *1

Der Shaolin-Tempel strebte viele Jahre lang eine Anerkennung als Weltkulturerbe durch die UNESCO an. Den Bemühungen um Aufnahme des Tempels in deren Liste der Weltkulturerbe-Stätten folgte später als weitere Zielsetzung eine Aufnahme von Shaolin-Kungfu in die UNESCO-Liste des immateriellen Weltkulturerbes.

Erstes Interesse an einer Anerkennung als Weltkulturerbe zeigte der Tempel im Jahr 2001. Man fing mit einer „Flurbereinigung“ an: die „Shaolin-village“ genannte  Ansammlung von Kungfu-Schulen und Händlern in der nächsten Umgebung des Tempels, die den Namen „Shaolin“ für ihre kommerziellen Zwecke nutzten, wurde aufgelöst,- stattdessen wurden Grünflächen angelegt.
Im Jahr 2002 begann der Shaolin-Tempel, sich offiziell um die Beantragung zur Aufnahme in das UNESCO-Weltkulturerbe zu bemühen. Zuerst mussten die erforderlichen Dokumente bei der Kulturbehörde der Volksrepublik China eingereicht werden, da die Beantragung bei der UNESCO durch das jeweilige Heimatland erfolgt. Im selben Jahr  wurde von der UNESCO eine Konferenz zur  Präsentation der Weltkulturerbe-Stätten abgehalten, zu deren Gästen auch Shi Yongxin, der Abt des Shaolin-Tempels, zählte. Seine Rede wurde sowohl von der UNESCO wie auch von der Chinesischen Regierung mit Interesse aufgenommen. Der Wunsch des Shaolin-Tempels nach Anerkennung als Weltkulturerbe erfuhr weltweite Unterstützung,  von Einzelpersonen, Institutionen und den Medien.

Ab 2004 bereitete die unweit des Shaolin-Tempels gelegene Stadt Dengfeng eine Bewerbung um den Status als Weltkulturerbe für eine Ansammlung verschiedener Denkmäler vor, zu denen auch der Shaolin-Tempel gehörte. Es wurden zahlreiche Maßnahmen zur Instandsetzung und zum Schutz der involvierten Denkmäler ergriffen, ein Monitoring-System entwickelt und eine entsprechende gesetzliche Grundlage geschaffen. Der Shaolin-Tempel unterzog sich 2004 der umfassendsten Renovierungsaktion seiner jüngeren Geschichte.

In diesem Zusammenhang war für den Shaolin-Tempel auch die Aufnahme der Song-Berge in das globale Netzwerk der UNESCO-Geoparks am 13. Februar 2004 von Interesse. Das Geopark-Prädikat der UNESCO wird Landschaften und geologischen Formationen von besonderem wissenschaftlichem Interesse, außergewöhnlicher Schönheit und Seltenheit zuteil, unter Einbeziehung der mit ihnen verbundenen Stätten von ökologischem, kulturellem und archäologischem Wert.

Im Laufe der Jahre mußte Shi Yongxin in Bezug auf die Bewebung als Weltkulturerbe immer wieder einen stärkeren Einsatz der entsprechenden Regierungsstellen für den Shaolin-Tempel einfordern, wobei ihm neben seiner politischen und religiösen Ämter auch seine vielfältigen politischen Kontakte hilfreich waren. Auch wurde zur Unterstützung der Bewerbung die noble PR-Firma Lehmann Communications in London hinzugezogen, die eine Studie über den Shaolin-Tempel als Heimat des Chan-Buddhismus anfertigen sollte, bei unumschränktem Zugang zu den Archiven des Tempels.


Shaolin -Mönche - UNESCO *2
 
Für die Aufnahme eines Kulturgutes in die Liste des immateriellen Kulturerbes der UNESCO darf jedes Land pro Jahr nur einen einzigen Vorschlag einreichen. Nachdem 2001 die Kunqu-Oper und 2003 das Musikinstrument Guqin von der UNESCO als immaterielles Weltkulturerbe anerkannt wurden, war das Shaolin Kungfu in der engeren Auswahl Chinas für den Vorschlag im Jahr 2005. Am 26. April 2005 gab jedoch der Vize-Kulturminister Zhou Heping stattdessen die Nominierung der Uygurischen Mukam Musik bekannt. Möglicherweise war deren Begründung besser gesichert und damit erfolgversprechender.
China, das aufgrund seiner Größe und Vielfalt an Kulturen einen enormen Reichtum an immateriellen Kulturschätzen hat und sich auf nationaler Ebene schon früh um ihre Bewahrung und ihren Schutz bemühte, hatte zu dieser Zeit ein starkes und berechtigtes Interesse an einer größeren Beachtung und Unterstützung dieser Kulturschätze auf internationaler Ebene. Die erste Liste des immateriellen Kulturerbes Chinas mit nicht weniger als 501 Elementen wurde am 6. Januar 2006 in den „China Cultural Relics News“ veröffentlicht, in ihr wird als 279. Posten Shaolin-Kungfu genannt (von der Stadt Dengfeng nominiert). Diese Liste war jedoch nicht mit den internationalen Standards der UNESCO kompatibel,  und so wurde am 20. Mai 2006 vom chinesischen „State Counsil“ eine zweite Liste mit 518 Elementen herausgegeben. In dieser Liste wird Shaolin Kungfu als 289. Posten in der Rubrik „Akrobatik und Sport“ angeführt; es befindet sich hier in der Gesellschaft von Taiji, Wudang-Kampfkunst, Meihuaquan, Monolischem Ringen und traditionellem chinesischem Fußball. Nach Veröffentlichung der zweiten Liste entbrannte eine weltweite Diskussion um die Bestimmung, Definition und Bewahrung des immateriellen Weltkulturerbes mitsamt seiner „theoretischen Minenfelder und politischen Fallgruben“.

Shi Yan Zhuang - UNESCO *3
 
2008 reichte China für die  historischen Denkmäler der Song-Berge, unter denen sich auch der Shaolin-Tempel befindet, bei der UNESCO eine Bewerbung um Anerkennung als Weltkulturerbe ein. Im Mai des folgenden Jahres reiste Shi Yongxin mit einer hochkarätigen Delegation von Mönchen und Kampfmönchen des Shaolin-Tempels zum Sitz der UNESCO nach Paris in Frankreich, um dort forciert die kulturellen und spirituellen Werte der Shaolin-Kultur zu präsentieren und am „Internationalen Festival der Kulturellen Diversität“ der UNESCO teilzunehmen. Das Weltkulturerbe-Komitee der UNESCO verkündete jedoch auf seiner Sitzung im Juni 2009 die Ablehnung der im Vorjahr eingereichten Bewerbung. Sie schlug aufgrund einer nicht erlaubten Mehrfachbewerbung fehl, die durch Mängel in der Kommunikation zwischen den von der chinesischen Regierung mit der Bewerbung beauftragten Agenturen entstanden war.

    
Shaolin-Mönche -UNESCO *4
Die erneute Bewerbung ein Jahr später stand unter einem glücklicheren Stern. Auf der 34. Sitzung des Weltkulturerbe-Komitees der UNESCO, die vom  25. Juli bis zum 3. August 2010  in Brasilia, Brasilien, stattfand, fiel die Entscheidung:  die UNESCO verkündete offiziell, daß die "Historischen Monumente von Dengfeng im „Zentrum von Himmel und Erde“ (“天地之中”)" in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen wurde. In ihrer ursprünglichen Version wurde diese Gruppe historischer Bauten schlicht als „Historische Monumente der Song-Berge“ bezeichnet und umfaßte zwei weitere Denkmäler.

Zum „Zentrum von Himmel und Erde“ zählen folgende 11 Denkmäler, die sich in einem Radius von ca. 40 qkm am Fuß der  Song-Berge nahe der Stadt Dengfeng in der Provinz Henan der Volksrepublik China befinden:
  • der Architektur-Komplex des Shaolin-Tempels, zu dem neben dem Shaolin-Kloster auch der Tempel des Gründerpatriarchen und der Pagodenwald gezählt werden,
  • der Zhongyue Tempel,
  • die Songyue-Tempel-Pagode,
  • der Huishan Tempel,
  • die Songyang Akademie,
  • das Dengfeng Observatorium, 
  • die historischen Wachtürme Taishi Que, Shaoshi Que und Qimu Que.

Diese als Weltkuturerbe anerkannten historischen Monumente von Dengfeng repräsentieren einige der besten Beispiele altchinesischer Baukunst in den Bereichen der Religion, Wissenschaft, Technologie und Bildung. Ihre Errichtung erstreckte sich über eine Zeitspanne von neun Dynastien resp. 2000 Jahren. Die UNESCO sieht in ihnen Reflektionen sowohl der verschiedenen Arten von Auffassungen des „Zentrums von Himmel und Erde“ als auch der Kraft des Berges als Zentrum religiöser Hingabe. Auf ihrer Homepage bietet die UNESCO folgende Informationen zu diesem Weltkulturerbe:  http://whc.unesco.org/en/list/1305.

 
Shaolin-Tempel  *5
Tempel des Gründerpatriarchen *6
Pagodenwald *7

Nach der Entscheidung der UNESCO trat in den Medien die auf den ersten Blick nicht unberechtigte Befürchtung auf, daß für Besucher des Shaolin-Tempels die Deklaration des Tempels als Weltkulturerbe nachteilige finanzielle Folgen haben würde, nämlich eine starke Verteuerung des Eintrittsgeldes. So stiegen z.B. im Fall von Jiuzhaigou in der Provinz Sichuan nach der Anerkennung als Weltnaturerbe durch die UNESCO die Eintrittspreise um mehr als das Doppelte an. In der seit 1997 als Weltkulturerbe anerkannten Stadt Lijiang in Yunnan sollen die Lokalbehörden im letzten Jahr mit Hilfe von Straßensperren von den Touristen zusätzliche „Gebühren zum Schutz der Altstadt“ abverlangt haben. Für die in diesem Jahr als UNESCO-Weltnaturerbe anerkannten Danxia -Landschaften wurden schon im voraus mögliche Preiserhöhungen gerechtfertigt.

Dem Shaolin-Tempel stehen jedoch genug andere, interessantere Möglichkeiten zur Verfügung, den neuerworbenen Status auch in materieller Hinsicht zu nutzen, zumal sich das Eintrittsgeld für den Shaolin-Tempel bereits im obersten Bereich des für chinesische Tempel Üblichen  befindet. Den größten Anteil der Eintrittgelder buddhistischer Tempel in China  erhält zudem der Staat, der  davon wiederum manchmal die Bezahlung von Renovierungsarbeiten übernimmt oder bezuschusst. Die Zeit, in der das Shaolin-Kloster von dem geringen Anteil der Einnahmen durch Eintrittsgelder, der ihm  zukommt,  abhängig war, ist lange vorbei, und so verwundert es auch nicht, daß Shi Yongxin, als Abt des Shaolin-Tempels mittlerweile zu den Verfechtern einer Abschaffung der Eintrittgelder für buddhistische Tempel gehört.
Schon einige Tage vor der offiziellen Verkündigung der Aufnahme des Shaolin-Tempels in die Liste des Weltkulturerbes lehnte Qian Daliang, der Geschäftsführer des „Intellectual Property and Intangible Assets Management Center of Shaolin Tempel“ eine Verteuerung der Eintrittgelder ab. Auch Shi Yongxin, gab in späteren Interviews bekannt, eine Erhöhung der Eintrittsgelder nicht zu beabsichtigen. Er betonte, daß die Entscheidung der UNESCO für die Mönche zwar ein Privileg sei, jedoch auch den Druck und die Verantwortung, den Tempel zu schützen, verstärke. Zudem gab er bekannt, daß der  Shaolin-Tempel weiterhin eine Anerkennung von Shaolin-Kungfu als immaterielles Kulturerbe der Menschheit durch die UNESCO anstrebt.




























Fotos 1-4: Reise der Shaolin-Mönche im Mai 2009 zum UNESCO-Hauptquartier in Paris, Frankreich
Video: Ausschnitte aus der Kongfu-Präsentation der Shaolin-Mönche bei der UNESCO

Foto*1: copyright by Helmut Becker-Zang; Veröffentlichung mit seiner freundlichen Genehmigung
Fotos*2, 4, 5, 6, 7: copyright by Songshan Shaolin-Tempel, China. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Yankai fashi
Foto *3: copyright by xinhua.net
Video: copyright by Clivia Pan,  "eingebettet" von youtube

Die Inhalte dieses Artikels wurden von mir nach bestem Wissen und Gewissen auf ihren Wahrheitsgehalt hin geprüft und erstellt. Letztendlich geben sie meine Reflektion der Dinge wieder. Quellenangaben sind auf Anfrage hin erhältlich.
14.09.2010 - yss 
Letzte Änderung: 27.01.2011 - yss
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