Shaolin - Mönche und Kampfmönche  (Teil 1)



Die Gemeinschaft aller Buddhisten (Sangha) wird in China „sengsú“ (僧俗) genannt. Sie wird in sieben Klassen (七众 qi zhòng) unterteilt: fünf Gruppen von Ordensleuten (五众 wû zhòng), dazu Laienanhänger (优婆塞 youpósài) und Laienanhängerinnen (优婆夷   youpóyí). Die fünf Gruppen von Ordensleuten sind folgende:
  • Mönche  (比丘 bîqiu)
  • Nonnen  (比丘尼    bîqiuni) 
  • Nonnen-Aspirantinnen  (式叉摩那 shìchamóna) 
  • Novizen  (沙弥  shami)    
  • Novizinnen  (沙弥尼   shamini)
Von diesen gibt es Mönche und Novizen im Hauptsitz  (常住院 changzhuyuan) des Shaolin-Kloster sowie in den meisten seiner Nebentempel (下院 xiayuan). Die Anzahl  vollordinierter Mönche im Hauptsitz wurde im April 2012 von der Tempelleitung auf persönliche Anfrage hin mit 227 beziffert; naturgemäß variiert sie jedoch von Jahr zu Jahr. In der vom Tempel in den öffentlichen Medien genannten Anzahl an Mönchen sind meist Mönche und Kampf-"Mönche" zusammengefasst, wodurch die Anzahl höher erscheint.  

Nonnen und Novizinnen findet man in der dem Shaolin-Kloster angeschlossenen  „Einsiedelei des Gründerpatriarchen“ (初祖庵 chuzu an), die am Berg hinter der Klosteranlage liegt, sowie im Luya-Tempel (卢崖寺) im Kreis Dengfeng. Das bekannte Yongtai-Kloster (永泰寺 yongtai si), ein ca. 5 km vom Shaolin-Tempel entferntes Nonnenkloster mit integrierter Kampfkunstschule, steht seit seiner Gründung in der Dynastie der Nördlichen Wei (386-584) mit dem Shaolin-Tempel in Verbindung, ist jedoch ein selbständiges Kloster  unter eigener, vom Shaolin-Tempel unabhängiger Verwaltung.


       
Die Mönche des Shaolin-Klosters (比丘 biqiu / 和尚 heshang)


Als vollordinierte Mönche sind sie den Mönchen anderer buddhistischer Klöster gleichgestellt. Ihre buddhistische Praxis entspricht weitgehend der anderer Chan-Mönche in China. Diese schließt - neben der den Mönchen zugeteilten Arbeiten und Aufgaben im bzw. für das Kloster – verschiedene Arten von Meditation sowie die Kalligraphie (书法 shufa) und den Teeweg (禅茶 chan-cha) ein. Zu den traditionellen Tätigkeiten zählen zudem das Studium der Schriften, das Abhalten von Zeremonien, die Unterweisung von Laienanhängern und Novizen in der buddhistischen Lehre. Sie umfassen jedoch auch das interne und externe Management des Klosters und seiner zahlreichen Veranstaltungen sowie die Pflege der besonders im Shaolin-Tempel außerordentlich vielfältigen gesellschaftlichen Beziehungen. Welche Tätigkeiten zur Hauptbeschäftigung eines Mönchs werden, bestimmt in der Regel neben seiner Fähigkeiten das von ihm übernommene Amt in der klösterlichen Hierarchie. Je größer ein Kloster ist, desto größer ist meist auch die Anzahl und Differenziertheit der zu besetzenden Ämter. Einmal im Jahr werden im Shaolin-Kloster in einer Generalversammlung für die leitenden Positionen entweder die alten Amtsinhaber bestätigt oder neue Mönche  in das Amt eingesetzt. Dies richtet sich einerseits nach der Zufriedenheit des Abtes und der Mönchsgemeinschaft mit der geleisteten Arbeit, andererseits auch nach der Bereitschaft eines Mönchs, ein Amt zu übernehmen bzw. weiterhin auszuführen. Wie in den meisten buddhistischen Klöstern, ist im Shaolin-Tempel der Abt von dieser demokratisch erscheinenden Regelung ausgenommen, er erfüllt traditionsgemäß die Rolle eines "Buddhas in der Gegenwart", unterliegt jedoch der politischen Regierungsmacht.

Shi Yanru (释延如) *(1)
Die Besonderheit eines Shaolin-Mönchs ist, dass er auch Shaolin-Kungfu als buddhistische Kultivierung und Weg zur Erleuchtung versteht und - soweit möglich – praktiziert. Dies macht nicht nur den Unterschied von Mönchen des Shaolin-Tempels zu jenen anderer Tempel aus, sondern auch den Unterschied von Shaolin-Kungfu zu anderen chinesischen Kampfkünsten. (“The abbot explained that Shaolin kungfu is different from martial arts. Kungfu is a Buddhist practice with the purpose of purifying the soul and building character. Both scripture chanting and skill exercises are Buddhist practices in the temple. …” aus:  China Today, Reports in 2004, “The Shaolin Kungfu Legacy” von Zhang Xueying, URL: http://www.chinatoday.com.cn/English/e2004/e200409/p38.htm, download am 24.6.2010)
Leider sind im Tempel die Mönche, die Shaolin-Kungfu ausüben, in der Minderheit,- sowohl gegenüber Mönchen, die kein Kungfu praktizieren wie auch gegenüber den nicht-ordinierten "Kampfmönchen", für die Kungfu die Hauptbeschäftigung und meist der wichtigste Grund für ihren Aufenthalt im Kloster darstellt (siehe "Shaolin - Mönche und Kampfmönche Teil 2"). Schon früh bemühte sich Shi Yongxin, dies zu ändern und interessierten Mönchen Unterricht von den besten Meistern des Tempels anzubieten,- mangels Beteiligung der Mönche wurde der Unterricht jedoch wieder eingestellt. Öfter als dass ein "Betmönch" (文僧) begann, Shaolin-Kungfu zu lernen, war es, dass ein "Kampfmönch" (武僧) begann, sich vermehrt für Buddhismus zu interessieren und sich nach einer "Testphase" entschied, die Mönchsregeln auf sich zu nehmen. So sind die Mönche, die den ordinierten Mönch und  den Meister im Shaolin-Kungfu in ihrer Person vereinen, der eigentliche, eher etwas zurückgehaltene Schatz des Tempels und mit keinen Meistern aus dem Laienstand vergleichbar, gleich wie hervorragend deren Kampfkunst sein mag. 
Der Abt Shi Yongxin selbst hat sich nur wenige Jahre in seiner Jugend aktiv mit der Kampfkunst beschäftigt und schon früh den Schwerpunkt seiner Tätigkeiten auf Organisation und Management gelegt. Wird er heute danach gefragt, wofür er gerne mehr Zeit hätte, so gibt er nicht das Üben von Kungfu an, sondern die Meditation (*I). Es gibt jedoch einige Mönche im Tempel, die auch mit zunehmendem Alter noch das Shaolin-Kungfu praktizieren und unterrichten.

Der Shaolin-Mönch Shi Xingdu (释行渡), Gelehrten-Mönch und Kampfmönch in einem, unterrichtet *(2)



Die Aufnahme ins Kloster und Mönchsweihe


Die Aufnahme ins Kloster als Novize und die spätere Mönchs- resp. Nonnenordination kennzeichnen den Eintritt in die sogenannte „Hauslosigkeit“ (出家入道 chu jia ru dao = wörtl.: das Zuhause verlassen und den Weg antreten),- ein Leben außerhalb familiärer und zum Großteil auch gesellschaftlicher Bindungen mit dem Ziel der Buddhaschaft. Voraussetzung für die Aufnahme ist, dass der Bewerber gesund und schuldenfrei ist und daß ein Mönch ihn als Schüler annimmt, sein „Tonsur-Meister“ (剃度师  tìdù shi) wird.

Ein Dekret des Kaisers Taizu der Ming-Dynastie aus dem Jahr 1391 zeigt, welche Kriterien damals ein Aspirant erfüllen mußte, wenn er einem buddhistischen Orden beitreten wollte:
“(Ein Mönchs-Aspirant) muß älter als 14 und jünger als 20 Jahre sein. Er muß die Einwilligung seiner Eltern haben. Nachdem er der Behörde resp. dem Richter gemeldet wurde und von seinen Nachbarn empfohlen wurde, kann er zu einem Kloster gehen und unter einem Meister lernen. Nach fünf Jahren, wenn er in den Schriften versiert ist, kann er zum Büro für Buddhistische Angelegenheiten gehen, um dort die Prüfung abzulegen. Nur wenn er sich als in den Schriften ausreichend bewandert erweist, erhält er ein Ordinationszertifikat. Wenn er das Examen nicht besteht, muß er in den Laienstand zurückkehren. Wenn seine Eltern nicht einwilligen, wenn es keinen anderen Sohn oder Enkel gibt, der den Eltern oder Grosseltern dienen kann, darf er nicht das Leben im Haushalt aufgeben. Wenn jemand älter als 30 oder 40 Jahre ist und zuvor ein Mönch war, später aber in den Laienstand zurückgekehrt ist, oder mit dem Begehen eines Verbrechens gebrandmarkt ist, darf er nicht das Leben als „Haushälter“ aufgeben.“  (*II)


Shi Yanyun (释延云) *(3)
Bei seinem Eintritt in das Shaolin-Kloster soll ein Aspirant heute ein Mindestalter von 13 bis 16 Jahren haben. Mit der Tonsur / dem Scheren des Kopfes (剃 度 tì du) wird er zum Novizen und verpflichtet sich zur Einhaltung der Novizen-Regeln, deren Sinn und Bedeutung er in der folgenden Zeit lernt. Zudem soll er die in den Zeremonien rezitierten Texte auswendig lernen, am Buddhismus-Unterricht teilnehmen und Kungfu lernen sowie bestimmte Arbeiten und Aufgaben für seinen Meister ausführen. Er erhält einen von seinem Meister ausgestellten Ausweis (号条 hào tiáo)  und kann nach einem Noviziat von ca. zwei bis drei Jahren das Mönchsgelübde ablegen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt soll er die Volljährigkeit, für  die auch in China das Alter von 18 Jahren festgelegt ist, erreicht haben. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts lag das Mindestalter für die Mönchsordination noch bei 20 Jahren.
Um die Mönchsordination zu erhalten, reist der Novize zu einem der Weihe-Tempel in China, die in relativ regelmäßigen Abständen mit staatlicher Genehmigung die sogenannte "Dharmaversammlung zur Übermittlung der großen Regeln der drei Plattformen" (传受三坛大戒法会) durchführen. In deren Verlauf absolviert der Novize ein intensives Programm zur Vorbereitung auf sein Mönchsleben, mit ausführlichen Unterweisungen in die Mönchsregeln, die buddhistische Etikette, die wesentlichen buddhistischen Rituale u.v.m. Nach vollzogener Mönchsweihen wird ihm ein sogenanntes Ordinationszertifikat (戒牒 jièdie) ausgehändigt,- es gilt als Nachweis darüber,  dass er Mitglied der buddhistischen Sangha ist. Das Ordinationszertifikat ist ein offizielles Dokument und muss von der zuständigen Regierungsinstitution, d.h. von der Buddhistischen Vereinigung Chinas (中国佛教协会 zhongguo fojiao xiehui) bestätigt sein.




Die buddhistischen Gebote/Regeln (佛戒  fo jie)


Eine der wichtigsten Schriften des Buddhismus ist der Pali-Kanon („Dreikorb“), von dessen drei Teilen der „Korb der Ordensregeln“ oder „Korb der Disziplin“ (Vinaya-Pitaka) die  Grundlage für das buddhistische Mönchstum bildet. Der Vinaya-Pitaka ist in zwei Teile untergliedert: der erste Teil, das Patimokkha, enthält die Mönchs- und Nonnenregeln, der zweite bietet eine reiche Beispiel-Literatur, Zusammenfassungen u.a.   
Die frühesten chinesischen Übersetzungen des Vinaya-Pitaka stammen aus dem Jahr 404 (von Puṇyatara 弗若多羅) und aus der Zeit von 416 bis 418 (von Buddhabhadra 佛陀跋陀羅). Der Vinaya-Pitaka ist in drei heute noch existenten Traditionslinien überliefert. Zu Beginn des 8. Jahrhunderts wurde per kaiserliches Dekret verordnet, dass der Vinaya der Dharmaguptaka-Linie in den buddhistischen Klöstern des chinesischen Reiches alleinige Gültigkeit haben solle. Er wird als der "vierteilige Vinaya" (四分律) bezeichnet und ist bis heute in China und Taiwan sowie in Teilen von Japan und Korea bestimmend.
Als eine „importierte“ Religion war der Buddhismus in China stets auch Anfeindungen ausgesetzt und viele der Gebote des Vinaya kollidierten regelrecht mit den in China gültigen konfuzianischen Regeln moralischen Verhaltens, besonders mit der "Kindesehrfurcht" ("孝 xiao" oder "孝顺 xiaoshun"). Schon allein durch den Auszug in die Hauslosigkeit und der daraus resultierenden Kinderlosigkeit wurde ein im Konfuzianismus lebenswichtiges Prinzip  verletzt: die Ahnenlinie wurde abgebrochen und es gab keine  Nachkommenschaft, welche die Eltern und Großeltern versorgen und die geforderten Ahnenopfer ausführen konnten. Die Tonsur/das Scheren des Kopfes beim Eintritt in ein Kloster widersprach der Kindespflicht, da man nach konfuzianischer Sicht seinen Körper nur von den Ahnen geliehen hatte und nichts von ihm absichtlich entfernen resp. abschneiden durfte. Der tägliche Bettelgang der Mönche widersprach der Gepflogenheit, vornehmlich für Familienangehörige und im Arbeitsverhältnis stehende Untergebene zu sorgen, u.v.m.

Bei der Entwicklung und Anpassung des Buddhismus in China entstanden zahlreiche apokryphe Schriften, welche unter anderem die dem Dharmaguptaka-Vinaya entsprechenden Ordensregeln den gesellschaftlichen Gegebenheiten anpassen und sie bei Bedarf auch zumindest teilweise ersetzen  sollten, so die  Fanwang-Sutra (梵網經 fanwang jing) und Pusa-Yinglo-Sutra (菩薩瓔珞經 pusa yingluo jing). Neben Exegesen und „erbaulichen Schriften“ erschienen auch Kompilationen mit Zenkloster-Vorschriften, die zunehmend Bedeutung erlangten. Ein erstes umfassendes Regelwerk für Chan-Klöster wurde Baizhang Huaihai (百丈懷海, 720-814) zugeschrieben, ist jedoch nicht erhalten. Mehrere Werke späterer Zeit berufen sich auf die "Reinen Regeln" (清規 qinggui) von Baizhang,  nichtsdestotrotz gibt es keinen hinreichenden historischen Beleg dafür, dass Baizhang selbst ein Regelwerk verfaßte. Zu den frühesten erhaltenen Regelwerken für Chan-Klöster zählen die "Richtschnur für die Chan-Klöster" ( 禅门规式 chanyuan guishi) aus dem Jahr 1004 und die „Reine Regel der Chan-Klöster“ (禅院清規 chanyuan qinggui) von 1103. Gegen Ende der Yuan-Dynastie wurden die Mönche Dongyang Dehui (東陽德輝) und Xiaoyin Daxin (笑隱大訢) auf kaiserlichen Befehl hin mit einer Revision der Ordensregeln beauftragt, um ein einheitliches, für alle Klöster verbindliches Regelwerk zu erschaffen. Sie stellten 1343 die  "Auf Erlass verbesserte Reine Regel von Baizhang" (敕修百丈清規  chixiu baizhang qinggui) fertig. Die ersten Jahrzehnte nach ihrem Erscheinen kursierte diese frei in den buddhistischen Klöstern, bis sie 1382 von Kaiser Taizu, dem Gründer der Ming-Dynastie, per Erlaß als für alle Chan-Klöster verbindlich erklärt und daraufhin die gesamte Ming-Zeit hindurch angewandt wurde. In der  Qing-Dynastie erschien noch 1823 das von dem Mönch Yirun (儀潤) verfasste Werk "Kommentar und Reine Klosterregel von Baizhang" (百丈叢林清規證義記 baizhang conglin qinggui zhengyiji), nach dessen Regeln 1904 die  Ordination des berühmten buddhistischen Mönchs Taixu vollzogen wurde.

Die von der Ordensgemeinschaft (僧伽 sengqie) zu befolgenden Gebote lassen sich in drei Hauptgruppen unterteilen :

• Gebote für Novizen  (沙弥戒  shami jiè)
• Gebote für Mönche / Nonnen  (比丘戒     biqiu jiè / biqiuni jiè)
• Bodhisattva-Gebote  (菩薩戒    púsa jiè)

Novizen und Novizinnen müssen 10 Gebote einhalten, von denen die ersten fünf identisch sind mit jenen, die ein buddhistischer Laie befolgen soll. 
Die Mönche befolgen 250 Regeln moralischen Verhaltens, Nonnen hingegen 348, zu denen immer noch die umstrittenen „Acht Nonnen-Regeln des Respekts“ (比丘尼八敬戒) zählen. In China gehört zur vollen Ordination eines Mönches / einer Nonne in jedem Fall auch das Gelübde auf die Einhaltung der Bodhisattva-Regeln,- ohne dieses werden sie nicht als vollordiniert anerkannt. 
Das Bodhisattva-Gelübde kann von allen fünf Klassen der buddhistischen Sangha abgelegt werden. Es beinhaltet insgesamt 58 Regeln: 10 schwere  (重戒  zhong jie) und 48 leichtere Regeln (轻戒qing jie). Es wird als das  letzte und höchste Gelübde angesehen und ist oft mit einem speziellen Ritual  verbunden: eine Anzahl kleiner, holzkohlen-ähnlicher Räucherkegel wird mit Dattelpaste auf dem Kopf des Aspiranten befestigt,  angezündet und niedergebrannt (燃顶 shao ding). Meist sind es drei, sechs oder neun Räucherkegel. Normalerweise werden sie, kurz bevor sie vollständig niedergebrannt sind, wieder entfernt. Dieses schmerzhafte und nicht ganz ungefährliche Ritual hinterläßt auf dem Kopf Brandnarben, die sogenannten „Ordinationsnarben“ (戒疤 jieba). Es symbolisiert die Bereitschaft, sein Leben für die drei Juwelen (Buddha, Lehre und buddh. Gemeinde/Sanga) und die „fühlenden Lebewesen“ aufzugeben und bezieht sich auf eine Episode in der Vita des Shakyamuni-Bodhisattva (d.h. des Buddha unseres Zeitalters bevor er zum Buddha wurde), derzufolge er sich als lebende Kerze für die drei Juwelen und die „fühlenden Lebewesen“ opferte. Manchmal wird dieses Ritual von den Mönchen und Nonnen auch wiederholt durchgeführt. Wenn Laienbuddhisten die Bodhisattva-Gelübde ablegen, werden die Räucherkegel meist auf der Innenseite des linken Unterarms oder auf der Schulter abgebrannt, dies auf Wunsch ebenfalls mehrmals. In der heutigen Zeit wird dieses Ritual jedoch wegen seiner mitunter  gesundheitsschädigenden Nachwirkung - z.B. Infektionen, chronische Migräne u.a. -  selten durchgeführt. Es ist jedem selbst überlassen, ob dieses sichtbare Zeichen für sich als wichtig erachtet.
Eine extremere Variante, die in früherer Zeit praktiziert wurde, ist die Widmung eines Fingers, der abgebrannt wurde.

 " 燃顶"  im Shaolin-Tempel 2010  (4)



Die Aufgaben der Mönche gegenüber den Laien

Zu den hauptsächlichen Aufgaben eines Mönches gegenüber der Laienschaft gehört die Weitergabe und  das Vermitteln des Dharma, d.h. der Lehre des Buddha (说法). Ein Mönch kann ca. 10 Jahre nach seiner Ordination Schüler annehmen, dies ist jedoch stets abhängig von seiner Fähigkeit, die buddhistische Lehre zu verstehen und weitergeben zu können. Ist der Meister des Mönchs der Ansicht daß dieser ein ausreichendes Verständnis der Lehre erlangt hat, vollzieht er die „Übertragung des Dharmas“ (传法 chuan fa), womit er auch die Befähigung des Mönchs zur Lehre anerkennt. Es braucht also nicht zu verwundern, wenn manche Mönche nach kürzerer Zeit offiziell Schüler annehmen dürfen, und andere Mönche nie.
Die Unterweisung in die buddhistische Lehre und  die Verbreitung des Dharma erfolgt seit des Buddhas Zeiten nicht nur auf persönlicher Ebene sondern auch in der Allgemeinheit zugängigen öffentlichen Vorträgen. Hinzugekommen ist die Lehre in Schulen, Akademien, Universitäten,- sozusagen in "halb-öffentlichem Bereich". Früher wie heute gibt es ein gravierendes Gefälle zwischen diesen "gelehrten" Meistern des Buddhismus und den ungelehrten.
 Seit jeher ziehen die buddhistischen Lehrer, die in der allgemeinen Öffentlichkeit auftreten, in besonderem Masse eine Anhängerschaft auf sich. Dies ist nicht nur von ihrer buddhistischen Weisheit abhängig, sondern auch von ihrer Wortgewandheit, ihrem Charisma (oder ihrer Fähigkeiten der Selbstinszenierung), ihrem Zugang zu massenwirksamen Medien, ihrer Neigung, sich dieser auch zu bedienen u.v.m. Früher wie heute ist in manch einem äußerlich unscheinbaren, zurückgezogenen Meister eher eine "buddhistische Perle" versteckt, als in einem allseits bekannten, der "bei Hofe" ein- und ausgeht (was der Legende nach schon Bodhidharma tunlichst vermied). 
Die Besonderheit des Shaolin-Klosters ist, dass es in ihm Dharma-Meister gibt, die ihren Schülern Chan-Buddhismus durch das "Medium" Kungfu lehren können. Ihr Unterricht in Shaolin-Kungfu kommt somit einer chan-buddhistischen Unterweisung gleich. 

Eine weitere wichtige Aufgabe der Mönche, sowohl allgemein wie auch des Shaolin-Klosters, ist das Abhalten von Ritualen und Zeremonien (佛式 foshi). Eine Vielzahl von ihnen werden gegen Bezahlung für die Laienschaft ausgeführt, so z.B.  Sutra-Rezitationen für Kranke, Segnungen bei Einweihungen (meist von Geschäften) und insbesondere Totenfeiern. Hinzu kommen die wiederkehrenden buddhistischen Feste:  „Geburtstage“ von Buddhas und Bodhisattvas, Ullambana (Fest zur Befreiung der Hungergeister), Vesak (Geburt, Erleuchtung und Parinirvana des Buddha), das "Wasser-Land-Ritual" u.a., mit deren Durchführung den Klöstern traditionsgemäß umfangreiche Spenden und Zuwendungen zufließen.


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Foto1, 2 und 4: copyright by yss. Veröffentlichung von Foto 2 mit freundlicher Genehmigung von Shi Xingdu, von Foto 1 und 3 mit Genehmigung von Shi Yankai
Foto 4: copyright by China Songshan Shaolin Tempel (中国嵩山少林寺), Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Shi Yankai  (释延开)

Text:
*I: Quelle: "Shaolin goes global"
*II: Übersetzung nach: Yü, Chün-fang. The Renewal of Buddhism in China: Chu-hung and the Late Ming Synthesis. New York: Columbia University Press, 1981.  (S.158-159) 


Die Inhalte dieses Artikels wurden von mir nach bestem Wissen und Gewissen auf ihren Wahrheitsgehalt hin geprüft und erstellt. Letztendlich geben sie meine Reflektion der Dinge wieder. Quellenangaben sind auf Anfrage hin erhältlich.
07.07.2010 - yss 
Letzte Änderung: 23.06.2013
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