Namen und Generationen der Shaolin-Mönche



Die Namen der Shaolin-Mönche

Der Shaolin-Tempel ist als ein Chan-Kloster in der Namensgebung von Mönchen und Novizen den im chinesischen Buddhismus geltenden Regeln und Gepflogenheiten verpflichtet.  Diese sind von der Adaption des Buddhismus an die chinesische Kultur geprägt, die bei seinem Einzug in China bereits hochentwickelt war.

Im alten China setzte sich der öffentliche Name eines volljährigen Mannes stets aus dem Familien- oder Clan-Namen (姓 xìng) und dem persönlichen Namen (名 ming) in Verbindung mit dem Generationsnamen zusammen. Während der persönliche Name Einfluss auf das Schicksal seines Trägers haben und Glück, Stärke oder tugendhafte Charaktereigenschaften an ihn binden sollte, war die Aufgabe des Generationsnamens, die Verbundenheit mit den Mitglieder der gleichen Generation in der Familie hervorzuheben und damit zu stärken. Bei Eintritt in die Volljährigkeit wurde von jungen Männern oft ein sogenannter Erwachsenenname oder Hofname (字 zi) als Zweitname gewählt, und dieser ersetzte dann die Verbindung Generationsname + persönlicher Name.  Als eine  Tradition der kaiserlichen Zeit ist die Verwendung eines Erwachsenennamens heute nicht mehr üblich und wird nur noch von besonders traditionsverhafteten Kreisen gepflegt. Speziell in Künstlerkreisen - vornehmlich unter Schriftstellern und Malern – war und ist es außerdem seit jeher beliebt, ein Pseudonym resp. einen „Ehrennamen“ (号 hao) anzunehmen. 
An dem Tag, an dem ein Mensch dem weltlichen Leben entsagt, sein Haupt scheren lässt und in ein buddhistisches Kloster eintritt, gibt er alle seine weltlichen Namen auf und erhält in China als „Familiennamen“ die Bezeichnung „Shi“ (释). Dies ist das erste Schriftzeichen in der chinesischen Bezeichnung des Buddha, „Shi-jia-mou-ni“ (释迦牟尼), die wiederum eine phonetische Übersetzung des Ehrennamens „Shakyamuni“ (Sanskrit: शाक्यमुनि, śākyamuni) ist und „der Weise aus dem Volk der Shakya“ bedeutet.  Dem Austreten aus der weltlichen Familie (出家 chujia) mit all seinen gesellschaftlichen Konsequenzen wurde so das Eintreten in die "Familie" des Buddha gegenübergestellt. Dieser Brauch wurde von dem buddhistischen Gelehrten Daoan (道安) im 4. Jahrhundert n. Chr. eingeführt.

Der Tonsur-Meister des Novizen wählt zudem für ihn einen Namen, den  Dharma-Namen (法名 fa ming), seltener auch
Tonsur-Name  (剃度 名 tidu ming) genannt. Dieser ist aus zwei chinesischen Zeichen zusammensetzt. Im Allgemeinen legt das erste Zeichen die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Generation einer bestimmten buddhistischen Linie oder Schule fest. Das zweite Zeichen ist „persönlicher Natur“, es kann dem Laiennamen des Novizen entnommen sein. Nicht selten hat es auch einen tieferen Sinngehalt und wurde von dem Meister speziell für diesen Novizen gewählt. Im Shaolin-Tempel finden sich in nahezu jeder der derzeit existenten Generationen die Zeichen  安 an (Friede),禅 chán (Chan/Zen),传 chuán (weitergebend, vermittelnd), 慈 ci (gütig, gutmütig) ,德 de (tugendhaft),   果  guo (Frucht) , 慧 hui (intelligent) , 明 ming (klar, hell), 浅 qian (hell),  善 shan  (gütig, warmherzig), 悟  wu (begreifen) u.a.
  
Neben dem Dharma-Namen erhält der Novize von seinem Tonsurmeister vor seiner Ordination einen weiteren Namen: den ebenfalls aus zwei Zeichen bestehenden „Dharma-Titel“ oder „Dharma-Ehrennamen“ (法号 fahao oder 字 zi).  Er stellt eine Verschmelzung von weltlichem Erwachsenen- und Ehrennamen dar. Oftmals legen die Meister für einen Teil des Dharma-Titels, ähnlich dem Generationszeichen im Dharma-Namen, ein bestimmtes Zeichen als Symbol für eine Reihe von Schülern fest, z.B. 法 fa (Lehre) oder 空 kong (Leere Leerheit), sodaß man sie an dem Zeichen als Schüler eben dieses Meisters  erkennen kann.



Die Generationszeichen


Eines der beiden Zeichen im Dharma-Namen des Mönchs entstammt einem Merkvers in Gedichtform, in dem die Namensfolge der Generationen der jeweiligen Schule oder Linie festgelegt sind (字诀 zijue). Mit seiner Hilfe kann man die Generationslinie des einzelnen Mönches bis zum Gründer dieser Linie  zurückverfolgen. Auch diese Vorliebe für Genealogien ist ursprünglich ein „chinesisches Phänomen“, das auf den Buddhismus übertragen wurde und in besonderem Maße im Chan-Buddhismus zum Tragen kam. Viele dieser Generationslinien sind in den liturgischen Brevieren der Chan-Schule (禅门日诵  chanmen ri song) wiedergegeben.

Der Shaolin-Tempel kennt in seiner Geschichte drei Generationslinen:
1. jene des Gründers des Shaolin-Tempels, Buddhabhadra (佛陀跋陀罗 fotuobatuoluo), in Kurzform Batuo (跋陀 batuo) genannt,
2. jene des direkt auf ihn folgenden Bodhidharma (菩提达摩putidamo) und
3. jene des songzeitlichen Abtes Xueting Fuyu (雪庭福裕 xueting fuyu).
Xueting Fuyu war von 1249 bis 1255  Abt des Shaolin-Tempels und verfasste ein Gedicht, in dem die Generationsnamen der Shaolin Caodong Chan-Schule in 70 Zeichen (少林曹洞禅宗七十字辈号 shaolin caodong chanzong qishi zi beihao) festgelegt sind. Jedes der Schriftzeichen dieses Gedichts wird als Bezeichnung der Generation (字辈 zìbèi)  im Namen der Shaolin-Mönche und –Novizen verwendet,-  ununterbrochen bis in die heutigen Tage. Das Gedicht umschreibt ein buddhistisches Ideal. Der Satz, den die Schriftzeichen der in der heutigen Zeit am häufigsten vertretenen Generationen – 德 de, 行 xing,  永 yong,  延 yan, 恒 heng – bilden, lässt sich mit “Tugendhaftes Verhalten  wird ewig währen“  übersetzen. 




Die am Namen erkennbare Zugehörigkeit zu einer chan-buddhistischen Linie wie Linji (臨濟宗 linji zong) oder Caodong (曹洞宗 caodong zong) oder zu einer der anderen großen buddhistischen Schulen in China wie z.B. Tiantai (天台宗 tiantai zong) erfolgt also mit dem Eintritt in ein Kloster durch die Tonsur und der damit verbundenen Namensgebung. Sie bezeichnet nicht zwangsläufig die Doktrin, der der  vollordinierte Mönch in seiner buddhistischen Praxis folgt.  Ein auffälliges Beispiel hierfür bietet die „Reine Land Schule“ (净土宗  jingtu zong). Da sie keine Generations-Verse entwarf, gehört kein Mönch vom Namen her dieser Schule an, gleichwohl folgt die Mehrheit der Mönche Chinas in ihrer täglichen Praxis den Doktrinen dieser Schule. Aufgrund der Vermischung der Reinen-Land-Schule mit der Chan-Schule finden sich auch in der buddhistischen Praxis des der Caodong-Schule zugehörigen Shaolin-Tempels  zahlreiche Elemente dieser Schule, so z.B. in den täglichen Zeremonien.






Die Inhalte dieses Artikels wurden von mir nach bestem Wissen und Gewissen auf ihren Wahrheitsgehalt hin geprüft und erstellt. Quellenangaben sind auf Anfrage hin erhältlich. Besonderen Dank an Shi Yongchuan für seine unermüdliche Beantwortung unerschöpflicher Fragen ...
18.04.2011 - yss 
Letzte Änderung: 10.05.2012 (Korrektur der Generationsnamen - Vielen Dank an Heino für den Hinweis!)
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