Shaolin Chan-Meister Tongguang
und seine Pagode
Pagode des Chan-Meisters Tongguang, West- und Südseite, 2011 |
Von einem kleinen Seitenausgang an der Ostseite des Shaolin-Klosters führt ein schmaler Weg zu den oberhalb des Klosters am Berghang liegenden Kungfu-Trainingsplätzen. Folgt man ihm, so passiert man eine bei aller Größe eher unauffällig wirkende Backsteinpagode, die etwas windschief und struppig am Hang steht. Nur selten verirrt sich ein Profi- oder Hobbyhistoriker oder ein Mönch in ihre Nähe, meist bleibt sie von den wenigen Vorbeihastenden oder Vorbeischlendernden unbemerkt und ungegrüßt.
Dabei verdient sie nicht weniger Beachtung als die Stupas des Pagodenwaldes, die zum von der UNESCO geschützen Kulturwelterbe zählen, und kann mit diesen „Antiquitäten“ durchaus mithalten. Sie ist die Pagode des Chan-Meisters Tongguang (同光禅师, 700 - 770), eines hochrangigen Mönchs des Shaolin-Klosters zur Zeit der Tang-Dynastie.
Dabei verdient sie nicht weniger Beachtung als die Stupas des Pagodenwaldes, die zum von der UNESCO geschützen Kulturwelterbe zählen, und kann mit diesen „Antiquitäten“ durchaus mithalten. Sie ist die Pagode des Chan-Meisters Tongguang (同光禅师, 700 - 770), eines hochrangigen Mönchs des Shaolin-Klosters zur Zeit der Tang-Dynastie.
Informationen über das Leben dieses Shaolin-Mönchs sind rar. Eine wesentliche Quelle ist die „Pagoden-Inschrift des Chan-Meisters Tongguang“ (同光禅师塔铭), die jedoch naturgemäß weniger dem Bewahren historischer Fakten als dem Übermitteln eines idealisierten Bildes Tongguangs diente. Sie wurde von dem Kreisvorsteher von Dengfeng namens Guo Zhuo (登封县县令郭浞), verfasst, der einer der Laienschüler Tongguangs war. Niedergeschrieben wurde sie von dem "Mönch von großer Tugendhaftigkeit" Lingxun (大德和尚灵讯).
Der Inschrift zufolge stammte Tongguang aus „Jin“ (晋- heute die Provinz Shanxi 山西) und wurde schon in jungen Jahren Novize. Eine Zeit lang lebte er von Almosengängen auf dem Taishishan(太室山). 725/26 erhielt er die Mönchsordination, und er „nahm Zuflucht“ (皈依) bei dem im Norden weit bekannten Chan-Meister Dazhao (大照).
Dazhao ist der posthume kaiserlicher Ehrentitel des Chan-Meisters Puji (普寂), der als Schüler des Chan-Meisters Shenxiu eine der Hauptpersonen war, gegen die der Mönch Shenhui seine rhetorischen Angriffe richtete, um die Anerkennung Huinengs als sechsten Chan-Patriarchen durchzusetzen. Auf Einladung des Kaiserhauses (Xuanzong) hin war Puji 725 aus dem Songshan (wahrscheinlich aus dem Songyue-Kloster oder dem Huishan-Kloster, beide sind wenige Kilometer vom Shaolin-Kloster entfernt) in die damalige Metropole Luoyang gekommen.
Nach dem Tod Pujis im Jahr 739 soll Tongguang eine Zeit lang in der Wildnis verbracht haben, bis er zum Shaolin-Kloster kam. Die Pagoden-Inschrift berichtet weiterhin, dass Tongguang im Shaolin-Kloster Unterweisungen in seine Lehre gab, nennt jedoch in Bezug auf die Zeit keine genaueren Daten. Es heißt: Tongguang „legte die Bedeutung der großen Lehre dar, er öffnete die Tore der großen Lehre, mehr als 20 Jahre lang erschütterte er China wie auch das Ausland“.(*1)
Entsprechend seinem vom Shaolin-Kloster veröffentlichten Lebenslauf (*2) errichtete er 755, gemeinsam mit dem Mönch Faren (法忍) im Shaolin-Kloster eine kleine Stele mit dem Titel „Aufzeichnung über die kaiserlichen Edikte zur Rückgabe der Devaraja und Löwen an den Shaolin-Tempel“ (《敕还少林寺神王师子记》碑). Der Text dieser Stele liefert wertvolle Informationen über die Beziehung des Shaolin-Tempels zum Kaiserhaus während der Regierungszeit der Kaiserin Wu Zetian (690 - 705).
Nach dem Ausbruch der folgenreichen An-Lushan-Rebellion (安史之乱) im Dezember 755 zog sich Tongguang möglicherweise eine Zeit lang nach Jingzhou (荆州) zurück.
Seiner Pagodeninschrift zufolge verstarb der Chan-Meister 770 im Lotussitz in der Chan-Halle des Shaolin-Klosters. Von den 71 Jahren seines Lebens hatte er 45 Jahre als Mönch verbracht. Mehr als 30 seiner Schüler sollen die Erleuchtung erlangt haben. An Schülern Tongguangs nennt die Inschrift den Shaolin-Bibliothekar Wéijì und den Shaolin-Klostervorsteher Tánzé, desweiteren als „Erben seiner Lehre“ Dàozhēn, Jiānzhào, Zhēnguān, Bǎozàng, Fǎlín, Zhìxìn, Chéngēn, Zhōngshùn, Chāoàn, Shēnxìn.
Als der wichtigste Schüler Tongguangs gilt jedoch Zhenjian (真坚, ca. 728 bis 784), ein Mönch aus Wangwu (王屋; heute: östlicher Kreis Jiyuan 济源县西) in der Provinz Henan, der 747 die vollen Mönchgebote annahm. Zhenjian beschäftigte sich intensiv mit dem Vinaya, dem buddhistischen Regelwerk, und verfasste darüber zahlreiche Schriften, die bis nach Silla (新罗) verbreitet wurden, einem Königreich im Südosten des heutigen Korea. Nach seinem Tod soll er im Tianzhu-Kloster im Luonan Longmenshan beigesetzt worden sein. Ein Zeugnis von der großen Bedeutung, die Zhenjian in der damaligen Zeit hatte, legt die Inschrift einer achteckigen Steinsäule („大唐东都弘圣寺故临坛大德真坚幢铭并序“) ab, die heute in dem zum "Institut für die Longmen-Grotten von Luoyang" (洛阳龙门石窟研究) gehörenden Museum aufbewahrt wird.
Tongguangs Schüler Tanze ließ für seinen Meister im Jahr 771 östlich des Shaolin-Klosters die bis heute existente Pagode errichten. Sie ist aus gelbem Backstein im Pavillon-Stil gebaut, ihre Höhe beträgt ca. 10 Meter. An der Südseite der Pagode befindet sich ein Türbogen von 1,87 Meter Höhe und 1,22 Meter Breite, der zu einem kleinen Innenraum führt. Er ist heute zugemauert. Das Bogenfeld oberhalb des Eingangs wie auch die Seitenbereiche sind mit in Stein gemeißelter Verzierung versehen. Dargestellt ist eine Paradiesszene: im oberen Drittel sieht man zwei fliegende Himmelsknaben (飞天童子) mit entblößten Oberkörpern und wehenden Röcken. Sie sind, einander zugewandt, links und rechts der Zentralachse der Tafel angeordnet. Unter ihnen sind zwei Gottheiten zu sehen, die auf einem Teppich tanzen, umgeben von insgesamt neun Musikern und von Vögeln, Blumen etc. Die Musiker sitzen zu beiden Seiten der Tänzer auf prachtvollen Teppichen und sind mit verschiedenen klassischen Zupf- Blas- und Schlaginstrumenten ausgestattet. Die Steinverzierung setzt sich von dem Bogenfeld aus in Fragmenten über den Türsturz sowie über die Seitenbereiche des Eingangs fort; Einhorn, Löwe, der kriegerische Halbgott Vajrapani und andere Gestalten der buddhistischen Mythologie sind hier zur Darstellung gelangt.
Die harmonische Komposition und die sichere Linienführung wie auch die sorgfältige Ausführung und die Ausdruckskraft weisen darauf hin, dass diese lebhafte „Paradiesszene“ die Steinbildhauerarbeit eines Meisters seines Faches ist. Wie die Pagode ist diese gesamte dekorative Arbeit in der Zeit der Tang-Dynastie entstanden.
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Ausschnitt Musiker links |
Ausschnitt Musiker rechts |
An der Nordseite der Pagode ist die Steintafel mit der Gedenkinschrift für Tongguang in die Pagodenwand eingelassen, in ihr ist auch das Jahr der Erbauung der Pagode festgehalten.
Während der Zeit der Kulturrevolution wurde der schlichte Innenraum der Pagode, der einstmals Tongguangs Überreste beherbergte und seines Gedenkens diente, zerstört. Auch wurde der Raum, aufgrund von Armut und Not, zeitweilig als Unterkunft genutzt. Vor einigen Jahren wurde der Zugang zum Innenraum vermauert, wahrscheinlich um weitere Zweckentfremdung der Pagode zu verhindern. Leider ist hierbei ein Teil der tangzeitlichen Verzierung des Eingangs hinter der Vermauerung verschwunden.
Pagode des Chan-Meisters Tongguang, Ost- und Nordseite |
Die Pagode Tongguangs befindet sich wenige Meter südöstlich der großen Meditationshalle des Shaolin-Tempels, nur leider „auf der falschen Seite“ der Klostermauer, nämlich außerhalb des jetzigen Klostergeländes. Im Jahr 2011 stand dort das 1200 Jahre alte Bauwerk zwischen Schuttabladeplatz, wilder Mülldeponie, Strom-Transformatoren und Baubaracken, geschützt von einem kleinen Geländer.
Die Pagode des Chanmeisters Tongguang 2011 |
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(*1) Die "große Lehre" ist eine Bezeichnung für den Mahajana-Buddhismus.
(*2) Artikel "同光" der homepage des Shaolin-Tempels
Die Inhalte dieses Artikels wurden von mir nach bestem Wissen und Gewissen auf ihren Wahrheitsgehalt hin geprüft und erstellt. Letztendlich geben sie meine Reflektion der Dinge wieder. Quellenangaben zu den einzelnen Daten sind auf Anfrage hin erhältlich.
Fotos: © copyright yss
13.01.2013 - © copyright yss
Letzte Änderung: 13.02.2013